Anastasios Voulgaris - Creative Director Burda Style
07.02.2019

„Anastasios, willst Du mit mir gehn?“

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„Als ich 12 war, hab ich mein erstes Burda-Schnittmuster-Projekt genäht – eine Pyjamahose. Dabei griff ich zielsicher nach dem schwierigsten Karostoff. Ich wäre fast daran gescheitert. Aber am Ende sah das Ergebnis dann noch ganz gut aus. Man durfte sich aber die Verarbeitung von innen nicht genau anschauen“, sagt Anastasios Voulgaris, Creative Director Burda Style lachend, während wir vor seiner Wohnung im Münchner Norden stehen. Schneeflocken tänzeln um den gebürtigen Griechen herum, während ich versuche, in sein winziges Auto zu klettern. Heute begleite ich Anastasios auf seinem Weg in die Arbeit.

Neue Bedürfnisse

Während sich der Wagen rückwärts aus der zugeschneiten Parklücke befreit, sagt er: „Ich hatte das große Glück, Aenne Burda persönlich kennenlernen zu dürfen, deren Arbeit ich mit meinen Kollegen gewissermaßen fortführe. Aenne Burda hat mit ihren Schnittmustern Frauen nach dem Krieg wieder schöne und erschwingliche Mode ermöglicht. Heute haben unsere Konsumentinnen andere Bedürfnisse“, sagt er und gibt nochmal Gas. Um uns herum wimmeln auf der Straße zahllose Autos im morgendlichen Berufsverkehr - jeder hat es eilig. Wer nimmt sich im Alltagsstress noch die Zeit, zu nähen, will ich wissen.

Greifbares Erlebnis

„Schöne Kleidung gibt es heutzutage überall zu günstigen Preisen. Was uns aber mit der fortschreitenden Digitalisierung verloren gegangen ist, ist das körperliche Erleben. Vieles spielt sich in unseren Köpfen und in der virtuellen Welt ab. Wenn man sich aber mit einem Nähprojekt beschäftigt, spürt man den Stoff und hält am Ende ein Ergebnis in den Händen. Man kann seine Kreation am eigenen Körper spüren und stolz darauf sein“, lächelnd blickt Anastasios auf die Straße.

Kreative Ambitionen und Stolz

Er selbst war schon früh stolz auf seine Kreationen: „In der Schule hab ich einige Jahre in einem Theater-Literaturkurs mitgespielt und habe auch die Kostüme für unsere Aufführungen entworfen. Meine Eltern konnten mit meinen kreativen Ambitionen wenig anfangen und so haben wir uns anfangs auf ein Produktdesign-Studium geeinigt“, sagt er und schiebt - halb wehmütig, halb selbstironisch - hinterher: „Sonst wäre ich vielleicht Schauspieler geworden, wer weiß.“

Anastasios hat aber dann schließlich Modedesign und Modejournalismus studiert und ist nach einem Ausflug bei Christian Dior in Paris und einem Modeunternehmen in Braunschweig zu Burda nach Offenburg und später nach München gekommen. Heute entscheidet er und sein Team, welche Schnitte in die nächsten Heftausgaben kommen. Er lässt sich von Stoffmessen, DIY-Blogs und Streetlooks inspirieren und auf den Fashion Weeks wie z.B. in Berlin oder Paris nimmt Anastasios die Stoffe und Schnitte genauer unter die Lupe: „In den Showrooms nach den Schauen hat man die Möglichkeit, die Kreationen am Kleiderbügel zu begutachten. Ich achte besonders auf die Verarbeitungsdetails und die Schnittführung. All das fließt in unsere Kollektionen bei Burda Style mit ein“, sagt er.

Und für diese Arbeit bekommt Anastasios viel Feedback von den Lesern: „Wir erhalten Fotos von gelungenen Projekten – aber auch Kritik, wenn es mal nicht ganz geklappt hat. Mit dem Magazin Burda Easy möchten wir auch Neulinge für das Nähen begeistern. So ist für alle Schwierigkeitsgrade etwas dabei“, erklärt er. 

Ein Leserbrief, an den sich Anastasios aber besonders gerne erinnert, kam von einer Abonnentin aus Griechenland: „Wir haben eine 70er Jahre-Modestrecke für die Septemberausgabe in Athen fotografiert. Eine Passantin, die das Fotoshooting zufällig gesehen hatte und sich sofort in das Kleid verliebte, fand das Foto später in einer Ausgabe von Burda Style, nachdem Sie verzweifelt versucht hatte, das Label herauszufinden, um sich ihr Traumkleid zu kaufen. Sie hat sich so sehr darüber gefreut, dass sie nicht nur das Kleid mit dem exakt gleichen Stoff nachgenäht hat, sondern sogar das Foto aus dem Heft an der Original-Location mit dem eigenen Werk nachgestellt hat. Es war ein geblümtes Prairie-Kleid mit Glockenärmeln. „Mich hat es sehr berührt, dass ich eine Leserin glücklich machen durfte und unsere Arbeit so wertgeschätzt wurde.“

Mittlerweile sind wir vor dem Bürogebäude von Burda Style angekommen, das eigentlich eine Kreativfabrik ist – aber das kann man an diesem grauen Wintertag von außen nur erahnen. Anastasios dreht sich ein letztes Mal für ein Foto um und verschwindet dann in einer großen Drehtür.

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