Cliqz-Gründer Jean-Paul Schmetz erklärt im Interview unter anderem, warum die Suchtechnologie von Cliqz ein entscheidender Faktor für den Erfolg von Brave ist.
Ende April musste Burda die Schließung von Kernbereichen von Cliqz bekanntgeben – einem Münchener Start-up, das seit 2008 die Vision eines offenen Internets verfolgte, in dem die Menschen die Kontrolle über ihre Daten haben und nicht für wirtschaftliche Interessen ausspioniert werden. Mit seinen Innovationen hat Cliqz bewiesen, dass es technisch möglich ist, den großen Tech-Giganten wie Google datenschutzfreundliche Produkte made in Germany entgegenzusetzen. Viele dieser Innovationen sind auch jetzt noch auf der ganzen Welt im Einsatz. Denn Ghostery, eine 100-prozentige Cliqz-Tochter, bündelt auch weiterhin die Kompetenzen von Cliqz im Bereich Anti-Tracking.
Wir haben uns mit Jeremy Tillman, President von Ghostery, darüber unterhalten, wie sich die Zusammenarbeit mit Cliqz verändert hat und welche Auswirkungen die Coronakrise auf die Privatsphäre im Internet hat.
Können Sie uns mehr über die zukünftige Ausrichtung von Ghostery als Teil von Burda nach der Schließung von Kernbereichen von Cliqz erzählen?
Die Mission von Ghostery besteht darin, Produkte zu entwickeln, die User im Netz schützen, aufklären und befähigen, wieder die Kontrolle über ihre Daten zu übernehmen. Das bedeutet, dass wir unseren Benutzern Werkzeuge zur Verfügung stellen, darunter viele von Cliqz entwickelte Technologien, um unerwünschte Werbung und Datenerfassung zu erkennen und zu blockieren. Ghostery ist bereit, eine führende Stimme innerhalb der Burda-Familie und darüber hinaus zu sein, um die Mission weiterhin zu unterstützen, Usern die Kontrolle über ihre Daten im Netz zurückzugeben!
Wie arbeiten Sie weiterhin mit dem Cliqz-Team in Deutschland zusammen?
Wir haben seit der Übernahme von Ghostery durch Cliqz im Jahr 2017 eng mit dem dortigen Team zusammengearbeitet und uns unter anderem die betriebliche Infrastruktur geteilt, die jetzt natürlich ersetzt werden muss. Darüber hinaus gab es einige gemeinsame Kooperationen in Bezug auf Produkte und Technologien, die wir derzeit bei uns intern integrieren. Es gibt aber immer noch strategische Kooperationen, die einige von Cliqz entwickelte Kerntechnologien betreffen, welche wir weiterhin verwenden, einschließlich unserer mobilen Browser sowie unserer Adblocker- und Anti-Tracking-Technologie.
Wie viele Ghostery-Nutzer gibt es weltweit? Was sind Ihre Meilensteine für 2020?
Ghostery hat weltweit fast 10 Millionen Nutzer, davon 45% in der EU, 15% allein in Deutschland. Daher ist unsere europäische Nutzerbasis für uns von enormer Bedeutung für unseren langfristigen Erfolg. Im Hinblick auf unsere Meilensteine für das Jahr 2020 und darüber hinaus besteht unsere Mission darin, den Ghostery-Schutz der Privatsphäre auf alle Orte auszudehnen, an denen sich Einzelpersonen mit dem Internet verbinden. Das betrifft zunehmend auch Anwendungen und Technologien, die außerhalb des Desktops und mobilen Browsers funktionieren.
Die globale Corona-Pandemie hat die USA am härtesten getroffen. Wie haben Sie es geschafft, das Geschäft dennoch aufrecht zu erhalten?
Es war definitiv eine große Herausforderung, denn wir sitzen in New York City, der wohl am härtesten vom Coronavirus betroffenen Stadt der Welt. Doch als „digital first“ Unternehmen ist es uns gelungen, innerhalb kürzester Zeit alles so umzustellen, dass die gesamte Belegschaft von zu Hause arbeiten konnte. Und wir waren angenehm überrascht, wie gut wir unsere Produktivität auch ohne ein physisches Büro oder den direkten Kontakt aufrechterhalten konnten. Trotzdem vermissen wir den persönlichen Austausch sehr! Deshalb sind wir kreativ geworden, haben digitale Teamveranstaltungen wie virtuelle Happy Hours, Filmabende und sogar einen Pilates-Kurs durchgeführt!
Sehen Sie seit Corona die Privatsphäre der User im Internet noch mehr gefährdet als vorher?
Da während der Pandemie immer mehr Menschen von zu Hause aus arbeiten, verschwimmt die Grenze zwischen digitalem Arbeitsleben und digitalem Privatleben immer mehr. Hierdurch entstehen neue Schwachstellen für die Privatsphäre im Netz. Wenn Sie nicht zwei dedizierte Rechner zu Hause haben, vermischen Sie seit Corona wahrscheinlich viel mehr als vorher Ihre beruflichen Aktivitäten (E-Mail, Cloud-Software, Videoanrufe) mit persönlichen Aktivitäten (Einkaufen, Artikel lesen, Gesundheitsfragen recherchieren) unter Verwendung desselben Computers. Das ermöglicht Drittfirmen, noch detailliertere Profile durch Zugriff auf ihre persönlichen Daten zu erstellen. Wir müssen also jetzt mehr denn je unsere Mission vorantreiben, unsere User zu schützen und aufzuklären, damit jeder seine Privatsphäre wahren kann, insbesondere dann, wenn wir in eine neue Normalität nach bzw. mit Corona starten.