Hier berichten Burda-Führungskräfte von ihren Fehlern. Katja Eggert erzählt, wie eine ambitionierte Vision anders verlief als geplant – und warum sie trotzdem stolz darauf ist, was die Teams erreicht haben.
Seit 21 Jahren wird jeden dritten Freitag im November der bundesweite Vorlesetag gefeiert. An diesem Tag rücken wir die Bedeutung des Vorlesens für die Bildungs- und Zukunftschancen von Kindern in den Fokus. Auch Burda unterstützt in diesem Jahr wieder die Initiative von Stiftung Lesen, Die Zeit und der Deutsche Bahn Stiftung mit redaktionellen Beiträgen, kostenlosen Anzeigen und eigenen Vorleseaktionen. Jennifer Schwengers, stellvertretende Chefredakteurin von LISA, und Dominik Schütte, Chefredakteur von Esquire, besuchten die betriebsnahen Kitas Burda Bambini in Offenburg und Burda Bande in München, um den Kindern vorzulesen. Hier teilt Jennifer ihre Erfahrungen.
Die Turnhalle der Offenburger Kita ist heute kaum wiederzuerkennen: Statt Matten, Barren und Bällen liegen bunte Sitzsäcke in einem Kreis auf dem Boden. In der Mitte thront ein großer, gemütlicher Sessel; auf dem habe ich es mir mit drei Büchern in der Hand gemütlich gemacht. Eine Lampe taucht den Raum in warmes Licht, die Atmosphäre ist einladend und ruhig. Und ich bin sogar ein bisschen aufgeregt. Zu Hause lese ich meinem Sohn oft vor – doch einer ganze Kita-Gruppe? Das ist für mich Neuland. Am Wochenende habe ich extra geübt; Karl war das Testpublikum, er hört beim Vorlesen immer aufmerksam zu und stellt Fragen über Fragen. Jetzt grüble ich: Wie werden die Kinder auf die Geschichten reagieren? Werden sie sich darauf einlassen?
Meine Gedanken werden unterbrochen, als ich ein Quietschen höre. Die Tür zur Turnhalle öffnet sich, ein Mädchen in einem pinken Kleid tritt herein, schaut schüchtern zu mir und dann auf die bunten Sitzsäcke. „Sophia“ steht auf einem Namensschild. Langsam trippelt sie näher und setzt sich vorsichtig auf den roten Sitzsack, ein wenig abseits von mir. Ich ermutige sie, näher zu kommen, doch sie bleibt lieber dort sitzen; schaut erst zu mir und dann zu Boden. Dann öffnet sich die Tür weit. Die Erzieherin steht im Türrahmen und sagt: „Ach, da bist du ja!“ Sophia lächelt verlegen. Nach und nach strömen nun auch die anderen Kinder herein und verteilen sich auf den bunten Kissen – die lauten Mutigen sitzen vorne, die leisen Schüchternen bleiben hinten. Überall um mich herum raschelt es. Noch kurz höre ich sie plappern. Ein Kind sagt: „Ich will auch da hin.“ „Ich sitze hier“, ertönt es aus der anderen Ecke. Die Kinder machen es sich gemütlich, wackeln mit dem Hinterteil hin und her, bis sie eine für sie bequeme Position gefunden haben. Und dann ist schnell still.
Ich räuspere mich kurz; dann sage ich: „Ich bin Jennifer. Ich schreibe für ein Magazin.” Als ich anfange, die Bücher zu zeigen, weiten sich die Augen der Kinder vor Neugierde. Ich beginne mit dem ersten, „Meine Träume fliegen hoch“ von Cori Doerrfeld. Von den Büchern, die ich heute mitgebracht habe, ist das mein liebstes. Es erzählt die Geschichte von einem kleinen Jungen namens Toni: Toni möchte unbedingt einen Papierflieger basteln, aber alle Tiere, denen er begegnet, glauben nicht daran. Jedes findet einen anderen Grund, warum das niemals funktionieren kann.
Ich fange an vorzulesen: Seite um Seite spüre ich, wie die Kinder sich in die Geschichte fühlen und mit Toni mitfiebern. Während ich die Seiten umblättere und die Illustrationen zeige, ruft ein Junge laut in den Raum hinein: „Der Papagei sagt, dass es nicht klappt!“, und ein weiterer: „Der Schwan auch! “ Ich höre die Enttäuschung in ihrer Stimme. Gleichzeitig spüre ich, dass sie die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben haben. Sie zappeln auf ihren Sitzsäcken, können nicht still sitzen bleiben. Ich gehe auf die Illustrationen ein, frage sie, was sie sonst auf den Bildern erkennen können. Da ruft es laut: „Wie geht’s weiter?“ Die Neugierde ist groß.
Nach zahlreichen Niederlagen kommt der kleine Toni in der Geschichte an einem Pinguin vorbei. Im Gegensatz zu den anderen ermutigt der Pinguin ihn, es doch einfach zu versuchen und den Papierflieger zu werfen. Die Kinder halten die Luft an. Sie strecken sich nach oben und versuchen beim Umblättern schon den Blick der nächsten Seite zu erhaschen. Wird es nun klappen oder nicht?
Ich blättere um zur letzten Seite: Der Papierflieger saust einmal durch die Luft. „Juhu! Er hat's geschafft! “, rufen die Kinder begeistert. Sie klatschen und lachen. Der Lärmpegel steigt. Ein freudiges Ende. Mein Herz wird ganz warm. Es ist schön zu sehen, wie sehr sie mitfühlen. Nach der Geschichte reden wir noch ein bisschen miteinander. Ich frage in die Runde: „Was wollt ihr denn später einmal werden?”
Die Antworten sprudeln nur so heraus: „Fußballer!“, „Ich möchte eine Meerjungfrau sein! “ und „Ich will Rettungsschwimmer werden! “, ertönt es aus allen Ecken der Turnhalle. Auch das schüchterne Kind vom Anfang meldet sich und sagt: „Feuerwehrfrau.“ Dann frage ich die Kinder, wer ihnen Mut macht. „Meine Cousine!“, „Meine Schwester!“, „Meine Freunde!“, hallt es im Raum. Ein besonders ruhiges Kind aus der ersten Reihe sagt: „Meine Mama sagt immer: Du schaffst das.“ Ich lächle und freue mich, dass die Kinder zu Hause so wertvolle Unterstützung bekommen.
Wir sprechen darüber, wie es sich anfühlt, Neues auszuprobieren. Die Kinder werden gesprächig: Eines erzählt von dem Moment, als es sich getraut hat, von etwas Hohem herunterzuspringen. Ein anderes Mädchen sagt: „Ich hatte Angst bei unserem letzten Urlaub. Da musste ich fliegen.“ Und ergänzt danach: „Aber ich hab's trotzdem gemacht.“ Auch der Junge aus der ersten Reihe will seine Geschichte teilen. Er hatte Angst vor der Pegasus-Achterbahn im Europapark, wollte sie aber unbedingt fahren. Wie die anderen Kinder hat auch er seine Angst überwunden. Ihnen wird klar: Etwas Neues zu wagen, erfordert Mut. Ich frage sie: „Und wie habt ihr euch danach gefühlt? “, „Gut!“, rufen sie einstimmig. Sie sind sich einig: Es fühlt sich großartig an, etwas Neues zu wagen.
Doch Mut kommt nicht von irgendwoher – er kommt von den Menschen, die uns unterstützen. Es sind die „Pinguin-Freunde“, die uns den Weg zeigen und uns ermutigen, Neues auszuprobieren. Während ich mit den Kindern spreche, wird mir klar, wie wichtig es ist, Kindern nicht nur durch Geschichten, sondern auch durch Unterstützung den Mut zu geben, ihre Träume zu verfolgen.
„Vorlesen schafft Zukunft“ – nicht nur, weil es uns neue Welten eröffnet, sondern weil es uns lehrt, dass wir alles schaffen können, wenn wir an uns glauben und Menschen haben, die uns unterstützen. Die Kinder hier haben es verstanden – und auch ich nehme ein paar wertvolle Lektionen mit nach Hause.