Christian Liebig Stiftung
07.04.2020

„Ich will der Leere etwas Sinnvolles entgegensetzen“

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Am 7. April 2020 jährt sich der Todestag des Focus-Redakteurs Christian Liebig. 17 Jahre ist es her, dass er als Focus-Auslandskorrespondent nach Bagdad reist und aus dem Irak-Krieg berichtet. Er ist am unmittelbaren Ort des Geschehens, um so wahrheitsgetreu wie nur möglich über das zu berichten, was er mit eigenen Augen sieht und hört. Christian Liebig führt ein Online-Kriegstagebuch und informiert die Kollegen von der Focus-Redaktion per Satellitentelefon mehrmals am Tag über die Geschehnisse.

Vermeintlich für die Sicherheit

Er ist kein Abenteurer, der leichtsinnig sein Leben aufs Spiel setzt und die Gefahr sucht, sie auf der Suche nach der Wahrheit aber auch nicht scheut. „Keine Story ist es wert, für sie zu sterben“, hatte er erst vor wenigen Wochen in seinem Online-Tagebuch geschrieben und sich deshalb am Morgen des 7. April 2003 auch bewusst gegen die Geschichte entschieden. Aus Vorsicht hat er darauf verzichtet, die vorrückenden Kommandos zu begleiten und ist im Hauptquartier 15 Kilometer von der Stadt geblieben. „Ich glaube, ich habe die wichtigste Entscheidung meines Lebens getroffen“, sagte er am Abend zuvor deshalb auch noch seinem Chefredakteur Helmut Markwort am Telefon.

Unvermittelt schlägt im Hauptquartier eine irakische Boden-Rakete – keine 5 Meter von Christian Liebig entfernt – ein. Er ist sofort tot. Seine Kollegen, die den gefährlichen Vorstoß des amerikanischen Kommandos an jenem Tag begleiteten, während Christian aus Sicherheitsgründen im Hauptquartier blieb, kehren hingegen alle wohlbehalten zurück.

Warmherzige Anteilnahme

Die Anteilnahme, die der Nachricht vom Tod des gerade erst 35 Jahre alt gewordenen Reporters folgt, ist riesig. Hunderte von Briefen und E-Mails erreichen die Focus-Redaktion. Leser, Politiker, Kollegen, Freunde und Bekannte drücken in rührenden Worten ihr Beileid aus, würdigen Christians Arbeit und Menschsein, versuchen, seiner Familie und Lebensgefährtin wenigstens ein bisschen Trost in ihrer Trauer zu spenden. Und Helmut Markwort kündigt an: „Wir wollen seine Arbeit unvergessen machen.“

Hilfe zur Selbsthilfe

Kann jedoch bei einem solchen Verlust wirklich Trost gespendet und Christian Liebigs Arbeit tatsächlich unvergessen gemacht werden? Ja, sagt Beatrice von Keyserlingk, Christians ehemalige Lebensgefährtin, wenn sie auf diese beiden Punkte angesprochen über die Zeit nach Christians Tod spricht und eine Art Bilanz zieht. Zusammen mit Christians Eltern, Freunden und Kollegen gründet sie die Christian-Liebig-Stiftung e.V., einen Verein zur Unterstützung von Bildungsprojekten in Afrika. „Das Gefühl, die aus der kollektiven Trauer und Anteilnahme gezogene Energie unbedingt bündeln zu müssen und nicht verpuffen lassen zu dürfen, stellte sich sehr schnell ein – nach drei Tagen war die Idee zur Stiftung in ihrer Grundstruktur bereits geboren,“ so Beatrice von Keyserlingk. „Das Thema Bildung und Aufklärung hat Christian immer als einzige echte Entwicklungshilfe angesehen – als die Möglichkeit einer Hilfe zur Selbsthilfe. Das hat er mir gegenüber in vielen Gesprächen oft zum Ausdruck gebracht.“        

Bildung für Afrika auf Augenhöhe

Viel hat der Verein seitdem geleistet. 25 Grund- und Sekundarschulen für rund 24.000 Schüler, die in ihnen unterrichtet werden, hat er mittlerweile gebaut, viele Bildungsprojekte ins Leben gerufen und Stipendien vergeben. Vorwiegend in Malawi, ab 2007 aber auch für einige Jahre im Nachbarland Mosambik. Waisenhäuser wurden finanziert; zudem zwei Wohnhäuser für 130 Schülerinnen errichtet, damit sie einen sicheren Platz zum Leben und Lernen haben. Auch eine Backstube zur Ausbildung benachteiligter Kinder zählt zu den Engagements des Vereins.


„Bildung ist und bleibt unser Hauptanliegen. Es ist kein Almosen, man begegnet sich auf Augenhöhe, gibt Anleitung zu Selbsthilfe, erhält die landeseigene Kultur und stärkt das Selbstbewusstsein. Schafft keine Abhängigkeiten. Die Arbeit bei der Stiftung, der ich seit nunmehr 17 Jahren nebenberuflich in meiner freien Zeit und im Urlaub in Christians Namen nachgehe, erfüllt mich bis heute. Sie war und ist das beste Mittel, der Leere und Sinnlosigkeit, die Christians Tod hinterlassen hat, etwas Gutes entgegenzusetzen. Ich halte mein Engagement für das beste Rezept, um nicht in Selbstmitleid zu zerfließen. Es bringt einen kein Stück weiter und vereitelt jede Chance, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken – es bedeutet Stagnation.“

Beatrice von Keyserlingk, Christians ehemalige Lebensgefährtin


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Beatrice von Keyserlingk, Christians ehemalige Lebensgefährtin (c) Christian-Liebig-Stiftung e.V.

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