Die Gesundheitsapplikation APPzumARZT der Felix Burda Stiftung wurde um ein praktisches Feature erweitert – der „Eatbetter-Rezeptsuche“.
Stefan Lorkowski lehrt Biochemie der Ernährung an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Im Expertenrat zu Eatbetter klärt er über die neuesten Erkenntnisse der Ernährungsforschung auf. Am Donnerstag, 29.10., referiert er in der Eatbetter-Videosprechstunde über das Thema "Ernährungsmythen im Check".
Was ist der neueste Stand, die neueste Erkenntnis, der Ernährungsforschung?
Viele Studien haben im Prinzip das bestätigt, was wir seit Jahren empfehlen: eine ausgewogene Mischkost mit einem hohen Anteil an pflanzlichen, energiearmen und mikronährstoffreichen Lebensmitteln, mit vielen mehrfach ungesättigten Fettsäuren, mit vielen Ballaststoffen und natürlich wenig Zucker und wenig raffinierter Stärke.
Wenn wir das schon längst wissen: Warum essen und trinken so viele Deutsche dann trotzdem zu viel?
Nun ja, ich kämpfe auch immer wieder mit meinem Gewicht und weiß es doch besser. Aber es schmeckt halt so gut. Essen stellt zum einen eine Art der Befriedigung dar. Zum anderen haben wir verlernt, auf unser Sättigungsgefühl zu hören. Und drittens macht die ständige Verfügbarkeit den Verzicht schwer. Hinzukommt: Viele wohlschmeckende Lebensmittel machen schlichtweg nicht richtig satt. Und insbesondere die sehr hochverarbeiteten Lebensmittel führen dazu, dass wir mehr essen. Wir unterschätzen auch, mit wieviel weniger Essen wir auskommen würden. Wir sind alle Sklaven unserer fehlenden Impulskontrolle.
Auf der einen Seite soll man aufhören, wenn man satt ist, auf der anderen Seite soll man keine Lebensmittel wegwerfen. Wie kriegt man das zusammen?
Wir müssen höherwertigere Lebensmittel kaufen, also mehr gute Bio-Lebensmittel und Fleisch aus artgerechter Tierhaltung und Fütterung. Das ist zwar teurer, aber dann kauft man eben weniger. Bei den meisten von uns würde das wiederum auch beim Abnehmen helfen.
Was sind die schlimmsten Krankheiten, die durch falsche Ernährung und Alkohol ausgelöst werden?
Unsere Ernährung beeinflusst im Prinzip fast alle Stoffwechselerkrankungen und auch Krebs. Das Risiko für einen stark Übergewichtigen, einen Diabetes zu entwickeln, ist um ein Vielfaches höher als für einen Normalgewichtigen. Auch Fettstoffwechselstörungen oder Bluthochdruck bei salz- und energiereicher Kost sind ein Problem. Alkohol ist ein Toxin und erhöht das Risiko für gewisse Krebserkrankungen, z.B. Darm- aber auch Leberkrebs. Alkoholische Getränke liefern aber auch zusätzliche Energie, die für uns keinen Nutzen hat, das sind leere Kalorien, und trägt unter Umständen zu Gewichtsproblemen bei.
Können Lebensmittel auch Krankheiten heilen?
Essen kann – bis auf einige genetisch bedingte Stoffwechselstörungen – nur etwas heilen, was Essen auch angerichtet hat. Viele Menschen brauchen die Heilung ja nicht, weil sie krank sind, sondern sie sind krank, weil sie sich falsch ernährt haben, z.B. bei Diabetes mellitus Typ 2. Ganz wichtig: Kein Lebensmittel enthält alle Nährstoffe in den Mengen, wie wir sie brauchen – deswegen ist weder Kokosöl noch irgendeine exotische Beere ein Superfood. Das A und O für ein langes gesundes Leben ist, sich abwechslungsreich zu ernähren und sich viel zu bewegen.
Fettfalle ja oder nein: Was sind gute und was sind schlechte Fette?
Wir essen meist zu viele gesättigte Fettsäuren, die in tierischen Fetten, aber auch in Kokos- und Palmfett vorkommen. Omega-6-Fettsäuren sind beispielsweise wichtig, aber noch mehr sollten wir auf genügend Omega-3-Fettsäuren achten. Daher ist unsere Empfehlung: Statt Sonnenblumenöl oder Maiskeimöl lieber Leinöl, Hanföl oder Rapsöl verwenden. Die sind reich an Omega-3-Fettsäuren, der essenziellen Alpha-Linolensäure, welche wir nicht selbst produzieren können. Ein gutes natives Extra Virgin Olivenöl enthält viele Polyphenole und ist auch eine geschmackliche Bereicherung.
Welche Lebensmittel machen am ehesten schlank, wenn man nachhaltig abnehmen will?
Es gibt kein Lebensmittel, durch das ich einfach so abnehme. Abnehmen tun wir, indem wir weniger Energie mit den Essen aufnehmen, als wir brauchen. Natürlich helfen Lebensmittel, die besonders gut sättigen: abends ein richtig gutes Vollkornbrot mit einem Stück Käse macht hervorragend satt! Oder Getreideflocken! Daher gilt die Regel: Umstellen von energiedichten Lebensmitteln auf energiearme. Also z.B. den Gemüseanteil erhöhen. Bei Obst zu weniger süßen Sorten greifen, z.B. Beeren. Und: Nüsse essen! Nüsse haben neben vielen Nähr- und Ballaststoffen zwar einen hohen Fettanteil, aber wir resorbieren nur einen Teil des Fettes. Das heißt, wir essen zwar viel Energie, verwerten aber nur einen Teil davon – der Rest wird ausgeschieden. Wichtig: Die Nüsse natürlich nicht zusätzlich verzehren, sondern als Teil eine Mahlzeit wie Salat, oder anstelle von süßen Naschereien.
Es gibt immer mehr fettleibige Kinder. Woran liegt das und mit welcher Ernährung kann man dem am besten gegensteuern?
Bestimmte Stoffwechselerkrankungen und Übergewicht korrelieren mit den gesellschaftlichen Faktoren sozialer Status, Bildung und Einkommen. Wir müssen mehr investieren in die Aufklärung und Bildung der Eltern, und wir müssen die Qualität der Essensverpflegung in Schulen und Kindergärten verbessern, indem bspw. wissenschaftliche Qualitätsstandards für die Verpflegung in Kitas und Schulen, wie die Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, gesetzlich verbindlich verankert werden. Es ist so: Unser Geschmack wird in der Kindheit geprägt. Das heißt, wir mögen das, was wir kennengelernt haben bekommen. Und das sollte dann besser Gemüse und Obst sein statt Weißbrot mit Zucker. Zweiter Punkt: Den natürlichen Bewegungsdrang der Kinder fördern! Das Problem der übergewichtigen Kinder beginnt nämlich mit der Schule, wenn sie viel sitzen müssen.
Welche internationale Küche empfehlen Sie, wenn man gut und gesund essen will?
Die Grundzüge der gesunden Küche sind in allen Ländern gleich. Jede Küche kann vollwertig sein, auch die deutsche. Wenn ich die mediterrane Küche als Beispiel nehme, von der wir wissen, dass sie positive Effekte auf Fettstoffwechselerkrankungen und Diabetes hat, dann rede ich nicht von Pizza und Pasta. Die gesundheitsförderliche, mediterrane Küche ist reich an Gemüse und Obst, Nüssen, Samen, Hülsenfrüchten und Getreiden, Oliven, Fisch, und wenig Fleisch; sie ist sehr ballaststoffreich und enthält viele Pflanzenöle. In diesen Grundkomponenten unterscheidet sie sich nicht sehr von anderen gesunden Küchen bzw. den Empfehlungen von Fachgesellschaften für eine vollwertige Ernährung.
Was ist ernährungstechnisch ein absolutes No-Go?
Zuviel. Zucker. Hochverarbeitete Lebensmittel. Fast Food. Süße Getränke. Und Lebensmittel, die reich an gesättigten Fetten sind, z.B. Wurstwaren. Natürlich darf man auch mal eine Wurst essen oder ein Stück Schokolade. Wir wollen heute niemanden dazu drängen, wie ein Mönch in der Fastenzeit zu leben. Aber alles Ungesunde bitte nur in Maßen, und nicht täglich.
Das klingt ja eigentlich gar nicht so schwierig.
Nun ja, die Verbraucher achten beim Einkauf in der Regel zuerst auf den Preis und auf den Geschmack. Mit „gesund“ assoziieren die Leute, dass es schlechter schmeckt. Dabei ist es doch so: Wenn man selbst kocht, weiß man auch, dass gesunde Sachen auch sehr lecker sind.