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Für einen Zeitschriften-Coup, den der BurdaVerlag im April vor 20 Jahren gelandet hat, müssen wir ein bisschen ausholen und tatsächlich bis ins Jahr 1970 zurückblicken. Würden wir einen bekannten Werbeslogan bemühen, würden wir wohl auf Schwiizerdütsch fragen: „Wer hat’s erfunden?“ Und die Antwort lautet: Senator Franz Burda. Der Vater von Verleger Hubert Burda hat am 7.7.1970 die erste Ausgabe der Freizeit & Rätsel Revue (heute Freizeit Revue) an den Kiosk gebracht. Mit einer vom Senator persönlich zusammengestellten Mischung aus einem aktuellen Unterhaltungs- und Ratgeberteil, vielen Kreuzworträtseln & Preisausschreiben sowie mit Udo Jürgens auf dem Cover der Erstausgabe traf diese neue Zeitschriften-Mixtur bei der Leserschaft sofort voll ins Schwarze.
Nur zwei Jahre später lag die Druckauflage bei einer Million und nach zehn Jahren am Markt durchbrach auch die verkaufte Auflage die Millionengrenze (Q1/1980 über 1,1 Mio. verk. Exemplare). Damals lag die Freizeit Revue damit auf Platz 5 im Segment der Frauen- und Unterhaltungszeitschriften. Die Freizeit Revue entwickelte sich über die Jahrzehnte zur Cashcow bei Burda. Und der neue Umsatzbringer weckte natürlich bei der Konkurrenz große Begehrlichkeiten. Von dem Erfolgsmodell mit der Freizeit im Logo wollte man sich gerne ein Scheibchen abschneiden.
Theoretisch könnte man sich geschmeichelt fühlen, wenn die eigene Erfindung kopiert wird, weil sie so gut ist. Aber nur theoretisch – denn es geht um viel! Im April 2004 kam ein Nachahmer auf den Plan, bei dessen Launch des Freizeit Revue-Plagiats „Freizeit Woche“ für den damals zuständigen Geschäftsführer im BurdaVerlag, Reinhold G. Hubert, im wahrsten Sinne des Wortes der Spass aufhörte. Die „Freizeit Woche“ war ein Gemeinschaftswerk der Verlage Bauer und Klambt, die dafür eigens in Rastatt die „Freizeit Woche Verlagsgesellschaft“ gegründet hatten. Burda konterte diesen Frontalangriff auf sein Flaggschiff Freizeit Revue postwendend und brachte – innerhalb von wenigen Stunden - seinerseits die Zeitschrift Freizeit Spass an den Kiosk. Beide Kopien, also die Freizeit Woche der Konkurrenz und die eigene Freizeit Spass kamen in der Folge jeweils auf eine verkaufte Auflage so zwischen 400.000 und 500.000 Exemplaren. Das heißt, die Freizeit Spass konnte der gegnerischen Freizeit Woche damals gleich von Beginn an ordentlich in die Parade fahren.
Heiko Engelhardt, heute Geschäftsführer von BurdaDruck, kann sich noch gut an die Nacht-und-Nebel-Aktion erinnern. „Ich habe damals die Produktionsplanung verantwortet und war mit für diesen ‚Coup‘ zuständig. Das war eine superschnelle Aktion. Wir wurden, glaube ich, Montagmittag von der Geschäftsführung in den Medienpark gerufen, wo man uns den Ad hoc-Druckauftrag ankündigte und danach ging es richtig rund. Was soll ich sagen, Mittwochfrüh lag die Freizeit Spass in einer Auflage von einer Million Exemplaren am Kiosk. Druck & Sonderversand, das alles haben wir innerhalb von zwei Stunden organisiert. ‚We print anything‘ – hat schon Senator Franz Burda gesagt und das tun wir in top Qualität auf Kundenwunsch eben auch anytime und immer just in time“, sagt Heiko und lacht.
Die Auflage des Klassikers Freizeit Revue zeigte sich von den neuen Mitbewerbern lange relativ unbeeindruckt und blieb im Marktanteil weitgehend stabil. Da stellten sich natürlich weitere Verlage die Frage, wenn da Platz für drei lukrative Freizeit-Titel am Markt ist, warum denn nicht noch für mehr? So warfen seit dem Freizeit Spass-Coup von 2004 immer mehr Trittbrettfahrer - meist in monatlicher, oder zweimonatlicher Erscheinungsweise und im mittleren Cent-Bereich deutlich billiger als das Original - ihren Hut in den Ring und das Rangeln um die Freizeit der Leser:innen am Kiosk nahm teils bizarre Züge an. „Es gab zeitweise deutlich über 30 Freizeit Revue-Plagiate am Markt – von Freizeit heute, Freizeit genießen, Freizeit pur, Freizeit Illustrierte über Freizeit total bis Neue Freizeit, Prima Freizeit, Schöne Freizeit, Super Freizeit oder Meine Freizeit u.v.m.“, sagt Senior Brand Managerin Heike Rudolph. „Und in der Gestaltung der Titel war und ist die Konkurrenz ebenso wenig einfallsreich wie bei den Inhalten oder bei den Logos, die in Anlehnung an die Freizeit Revue immer blau-gelb oder blau-weiß sind. Aktuell gibt es immer noch über 30 Kopien am Kiosk. Die Qualität unseres Originals Freizeit Revue ist dabei auch im heutigen Haifischbecken des Segments und unter dem Druck des allgemeinen, massiven Auflagenrückgangs im Zeitschriftenmarkt v.a. über die letzten zehn Jahre nach wie vor unerreicht“, betont Heike.
So weit, so erfreulich – trotzdem stellt sich die Frage, warum es anderen Verlagen überhaupt erst möglich war, das Original derart dreist zu kopieren – also wieso gab es da rein rechtlich keine Handhabe? Logisch trafen sich Burda und Bauer/Klambt damals auch vor Gericht, um das zu klären – die Freizeit Revue klagte gegen die Freizeit Woche. Das Landgericht München lehnte die Klage allerdings ab mit der Begründung, das Wort „Freizeit“ sei „stark beschreibend“ und deshalb nicht schützbar. Burda ging damals nicht in Berufung. Umgekehrt wurde infolge auch eine Klage von Bauer/Klambt (Freizeit Woche) gegen Burda (Freizeit Spass) wegen Verwechslungsgefahr vom Gericht abgelehnt – mit der Begründung den Unterschied mache das 2. Wort im Titel. Und so kam es, dass der Zeitschriftenkiosk zur allseits beliebten Freizeitoase wurde, in der bis heute die einschlägigen Titel im Regal wie die Sardinen am Strand nebeneinander liegen.
Es ist einem grandiosen Teamwork aus Entertainment-Redaktion, Brandmanagement und Geschäftsführung über all die Jahre zu verdanken, dass der BurdaVerlag in Sachen Freizeit bis heute die Nase vorn hat. „Natürlich sind heute die Auflagen der unterhaltenden Frauenzeitschriften geringer als in den 80er und 90er Jahren, allerdings ist die Freizeit Revue inzwischen die Nummer 1 aller wöchentlichen Frauenzeitschriften, sie hat sogar die Bild der Frau in der Gesamtauflage überholt“, betont Chefredakteur Kai Winckler. „Und Freizeit Spass liegt inzwischen nur noch knapp hinter der Freizeit Woche, die ihre Auflage durch regelmäßige Bundle-Angebote stützt. Auch das weitere Konkurrenzfeld der Freizeit-Titel haben wir inzwischen fest im Griff. Unsere drei Freizeit-Monatstitel (Freizeit Exklusiv, Freizeit Post, Freizeit Aktuell) verdienen gutes Geld und halten die Auflagen der diversen Freizeit-Kopien in Schach“, sagt Kai.
„Fakt ist, dass sich Burda damals 2004 spontan selbst kopiert hat, war strategisch ein perfekter Schachzug“, sagt CPO Sven Dams. „Die Freizeit Spass hat mit ihrem Markteintritt vor 20 Jahren nachhaltig dafür gesorgt, dass die Konkurrenz sich deutlich weniger von unserem attraktiven Freizeit-Kuchen einverleiben konnte als geplant. Und dafür werden wir auch weiterhin sorgen“, betont Sven. Apropos Kuchen – diesen, nebst knallenden Sektkorken, gab es zum Jubiläum deshalb gestern bei einer Geburtstagsfeier fürs ganze Team. Happy Birthday Freizeit Spass!