Felix Kalkum steht vor einer großen Aufgabe: Als neuer Geschäftsführer von BurdaSolutions tritt er in Gerhard Thomas‘ Fußstapfen. Wer ist der promovierte Physiker, der als Kind das Programmieren liebte und im Auto das B…
Ich habe damals gar nicht richtig verstanden, was ich falsch gemacht habe. In meinem letzten Job vor Burda war ich schon nach kurzer Zeit Führungskraft. Im Mai habe ich als Praktikantin angefangen, im August wurde ich übernommen und im Oktober zum Teamlead befördert. Damals arbeitete ich an einem großen Projekt mit vier Teams; eines davon durfte ich leiten. Wir waren zwar nur zu dritt, aber es war meine erste Führungsrolle. Ich war gerade erst 24 Jahre alt geworden – und hatte einfach Glück. Ich habe mich riesig auf diese Aufgabe gefreut und war ehrgeizig; ich wollte mich unbedingt beweisen.
Damals habe ich mir viel von meinem eigenen Chef abgeschaut; er war mein Mentor und ich mochte seinen Führungsstil: direkt, authentisch; er gab mir Freiraum, war aber auch fordernd – und man durfte immer für die eigenen Aufgaben stehen. Im Alltag mit meinem eigenen Team habe ich schnell gemerkt, dass ich mich nicht allein auf meine Erfahrung und den Führungsstil, den ich kenne, verlassen kann. Aber ich war ja auch noch am Anfang; als Führungskraft wird man nicht geboren. Ich erinnere mich gut an eine Situation, die mich in eine blöde Lage gebracht hat:
Wir arbeiteten damals eng mit den anderen Teams zusammen. Dazu gehörte, dass wir uns teamübergreifend Feedback geben. Wir saßen mit dem ganzen Projektteam, etwa 20 Personen, zusammen in einem Meeting; es gab einen kleinen Krisenrat. Das Projekt lief schleppend und wir wollten gemeinsam überlegen, was wir verbessern könnten. Ich habe damals so gedacht: Was ich wichtig und gut finde, das finden andere sicher auch gut. Über Kritik dachte ich: Finde ich gut, die spornt mich an, besser zu werden! Mit dieser Einstellung habe ich im Teammeeting Feedback gegeben. Ich sagte Sätze wie „Die anderen vorher haben sich mehr Mühe gegeben, wir brauchen mehr Einsatz, ihr müsst motivierter sein. Geht die Extrameile!“.
Später kam mein Chef zu mir und meinte, ich sei zu hart gewesen. Ein Kollege fühlte sich von meinen Worten nicht motiviert, sondern frustriert. Eine andere Kollegin stand unter enormem Druck und das Feedback bewirkte nur, dass es ihr schlechter ging.
Was war passiert? Ich habe meine eigenen Ansprüche an Führung und Zusammenarbeit auf andere übertragen und damit Menschen verletzt und vor den Kopf gestoßen. Das Thema kam sogar in meinem Feedbackgespräch auf – und erst da wurde mir der „Fehler“ richtig bewusst. Deshalb ist mir die Situation – auch wenn die anderen sie vielleicht schon vergessen haben und im Endeffekt gar nicht so schlimm war – so stark in Erinnerung geblieben.
Heute würde ich anders handeln. Ich habe durch diesen Vorfall gemerkt, dass ich einen anderen Standpunkt einnehmen muss, habe daraus gelernt. Als ich mein jetziges Team übernommen habe, habe ich die Mitglieder als erstes gefragt: Was ist dir wichtig? Was erwartest du von mir? Was wünscht du dir von deiner Rolle? Für mich ist es wichtig, die Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, kennenzulernen. Ich versuche, ihre individuellen Standpunkte und Bedürfnisse zu berücksichtigen. Und mein Team weiß auch, was mir wichtig ist: eine offene Kommunikation, Augenhöhe, regelmäßiges Feedback, Vertrauen – wir sind ein Team.
Apropos Feedback: Ich glaube, wenn man eine gute und offene Feedbackkultur lebt, entstehen gar keine „Fehler“. Was sind schon Fehler? Ich mag das Wort nicht sonderlich und benutze es fast nie; es suggeriert, dass etwas wirklich schlimm ist, unveränderbar und mit großen Auswirkungen. Ich bin für einen konstruktiven Umgang mit Fehlern: Sagen, wenn jemand etwas falsch gemacht hat, aber direkt eine Lösung oder einen Verbesserungsvorschlag einbringen. Andersherum sollte man Fehler am besten direkt zugeben und nach Hilfe fragen. Das gilt für mein Team ebenso wie für mich. Für eine bessere Fehlerkultur muss man erst mal herausfinden, was man wichtig findet.
Karos Vorschläge für eine offene Fehlerkultur
Fehler und Feedback hängen unmittelbar zusammen: Wenn man sich regelmäßig Feedback gibt und sich vertraut, entstehen meist gar keine großen Fehler. Wer ein Problem hat, sollte um Rat fragen und mit der Führungskraft gemeinsam nach einer Lösung suchen.
Deshalb: Mehr Feedback geben! Mit meinem Team habe ich neben dem jährlichen Feedbackgespräch ein Zwischenfeedbackgespräch und zusätzlich monatliche Feedbackblöcke in Jour fixes – Feedback gehört also zum Alltag. Und ich fordere auch Feedback zu mir ein – das ist mir wichtig und sorgt für Augenhöhe.
Fehler zuzugeben ist schwer: Aber nur die ersten Male! Man gewöhnt sich daran – und wer offen mit Fehlern umgeht, inspiriert auch andere, es nachzumachen.
Für Mitarbeitende heißt das: Unbedingt mehr Feedback einfordern! Feedback ist nichts, was man abwarten und dann ertragen muss: Es ist eine Chance zur Weiterentwicklung und deshalb immer wünschenswert. Aber man muss auch selbst danach fragen.
Für Führungskräfte: Es ist wichtig, zu wissen, worauf du als Führungskraft Wert legst; ebenso wichtig ist es, zu wissen, worauf das Team jedes einzelne Mitglied Wert legt. Sprich darüber! Führung ist eine Gemeinschaftsaufgabe.
Feedback braucht Zeit! Gute Führung auch. Nehmt euch Zeit, öffnet euch füreinander und versteht gegenseitiges Feedback als Chance, einander besser zu verstehen und als Grundstein für eine gute Zusammenarbeit.
Meine Quintessenz aus dieser Erfahrung: Wir sollten einander mehr Feedback geben. Wenn wir Probleme im Kleinen ansprechen und sie nicht aufschieben, entstehen große Fehler erst gar nicht.
Von Karo Frizen
Wir alle machen Fehler – und genau darum soll es in unserer Content-Reihe ‚Mein bester Fehler‘ gehen: Welche Fehler Führungskräfte bei Burda gemacht haben, und vor allem: was sie daraus gelernt haben. Denn Fehler sind nicht schlimm, sie gehören zum Leben dazu. Und oft können wir gerade aus ihnen am meisten lernen.