Die Gesundheitsapplikation APPzumARZT der Felix Burda Stiftung wurde um ein praktisches Feature erweitert – der „Eatbetter-Rezeptsuche“.
Heute, am 24. Juni ,ist Eatbetter Day! Das Digital-Event findet in Kooperation mit der BurdaVerlags-Initiative For Our Planet statt und wird dieses Mal live über Facebook gestreamt. Im Rahmen des „3. digitalen Eatbetter Days“ lassen wir Expert:innen zum Thema Food & Nachhaltigkeit sprechen. So auch Tanja Dräger de Teran, Seniorreferentin für nachhaltige Ernährung und Landnutzung WWF (World Wide Fund For Nature). In ihrem Vortrag von 14:00-14.30 Uhr mit dem Thema "So schmeckt Zukunft – ein kulinarischer Kompass für eine gesunde Erde" erklärt sie, was „Besseresser:innen“ bewirken können, wie sich eine planetarisch-kulinarische Ernährung mit Blick auf den Ressourcenschutz, Klimaschutz und den Schutz der Artenvielfalt auswirkt. Und sie gibt konkrete Vorschläge für ein planetarisch-kulinarisches Wochenmenü. Im Interview verrät sie, was es mit der "Planetary Health Diet" auf sich hat und warum wir eine neue Ernährungsstrategie brauchen.
Eine der elementaren Fragen der Menschheit wird sein, wie und wofür wir unsere weltweit zur Verfügung stehenden Ackerflächen nutzen wollen. Denn fruchtbare Ackerböden sind eine wertvolle Ressource und stellen schlichtweg die Grundlage unseres Lebens dar. Und doch werden sie zunehmend knapper, u.a. durch das Bevölkerungswachstum, aber auch durch andere Bedrohungen, wie z. B. Erosion. In Deutschland gehen insgesamt 75 Prozent der Fläche, die wir für die Erzeugung unserer Lebensmittel benötigen, auf das Konto von tierischen Lebensmitteln (Fleisch, Milch, Eier). Dabei benötigen wir Ackerland nicht allein zum Anbau von Futtermitteln und Nahrungsmitteln, sondern auch für den Anbau von Pflanzen zur Energiegewinnung (z. B. Biogas, Biokraftstoffe), für die stoffliche Verwendung (z. B. Stärke, Bioplastik) oder Textilien (z. B. Baumwolle). Ein zusätzliches Problem stellt die Verschwendung von Lebensmitteln dar. Weltweit wird der Verlust bzw. die Verschwendung von Lebensmitteln auf ein Drittel aller produzierten Lebensmittel geschätzt. Aber auch in Deutschland landen pro Jahr knapp 12 Millionen Tonnen Lebensmittel in der Tonne. Studien zeigen, wir können weltweit die Menschen ernähren. Dazu gehört jedoch, die Ernährungsgewohnheiten auf den Prüfstand zu stellen und sorgsamer mit Lebensmitteln umzugehen. Zukünftig gilt es, in Deutschland bzw. weltweit nachhaltige Ernährungssysteme zu etablieren, vom Acker bis zum Teller.
Die EAT-Lancet-Kommission hat mit der „Planetary Health Diet“ gezeigt, dass wir uns weltweit gesund ernähren können, ohne der Erde zu schaden. Die Umstellung setzt allerdings voraus, dass wir z. B. den weltweiten Verzehr von tierischen Lebensmitteln reduzieren, hingegen den Verzehr von Obst, Gemüse, Nüssen und Hülsenfrüchten deutlich erhöhen müssen. In Bezug auf die Proteinfrage sollten laut Empfehlungen von EAT-Lancet maximal 25 Prozent des Proteinbedarfs durch Fleisch und Wurstwaren gedeckt werden. Empfohlen wird, den restlichen Proteinbedarf durch Hülsenfrüchte, wie Linsen oder Bohnen und Nüsse zu decken sowie durch andere tierische Produkte.
Für die Studie wurden die globalen Empfehlungen der EAT-Lancet-Kommission für eine „Planetary Health Diet“ auf die Ernährungsgewohnheiten in Deutschland übertragen. Das bedeutet, eine Ernährung, die nicht nur gesund für die Menschen ist, sondern auch dem Wohle des Planeten dient. Im Vergleich zu den Vorgaben der EAT-Lancet-Kommission wird deutlich, dass hierzulande bislang zu viele tierische Lebensmittel gegessen werden und im Gegensatz dazu zu wenig Gemüse. Vor allem dunkelgrünes Gemüse, Hülsenfrüchte, wie z. B. Linsen oder Bohnen, und Nüsse. In Bezug auf die Umwelt haben unsere Ernährungsgewohnheiten erhebliche Effekte. Wir tragen mit unserem derzeitigen Verhalten erheblich zum Klimawandel bei und beanspruchen sehr viel landwirtschaftliche Fläche in Deutschland und in anderen Regionen dieser Welt. So belegen wir z.B. eine Soja-Anbaufläche von über 2,8 Mio. Hektar in Brasilien, Argentinien und in den USA. Die Studie zeigt aber auch: Jeder Biss zählt. Veränderte Ernährungsgewohnheiten haben ein erhebliches Potenzial, zum Schutz unserer Ressourcen, des Klimas und der Artenvielfalt beizutragen. Und dies bei einer flexitarischen, vegetarischen und veganen Ernährung.
Ohne eine Ernährungswende werden ein wirksamer Klimaschutz und das Erreichen der Pariser Klimaziele nicht gelingen. Der Klimaschutz sitzt täglich mit am Essenstisch und wir können alle mit veränderten Ernährungsgewohnheiten in einem erheblichen Ausmaß zum Klimaschutz beitragen. Allein durch die Umstellung auf eine flexitarische Ernährung könnten die Treibhausgasemissionen um 27 Prozent gesenkt werden, bei einer vegetarischen Ernährung um 47 Prozent und bei einer veganen Ernährung um 48 Prozent. Deutschlandweit würde dies umgerechnet bedeuten, dass bei einer Umstellung auf eine flexitarische Ernährungsweise 56 Mio. t CO₂,-Emissionen bei einer vegetarischen Ernährungsweise 98 Mio. t CO₂ und bei einer veganen Ernährungsweise sogar 102 Mio. t CO₂ Treibhausgasemissionen eingespart werden könnten. Wie signifikant diese Einsparungen sind, zeigt der Blick auf die Gesamtemissionen in Deutschland, die sich 2020 auf 739 Mio. t CO₂ beliefen. Eindeutig ist: Die Klimafrage ist auch eine Proteinfrage, denn fast 70 Prozent der Treibhausgasemissionen unserer derzeitigen Ernährungsweise sind auf tierische Lebensmittel zurückzuführen. Nach Empfehlungen der EAT-Lancet-Kommission sollten maximal 25 Prozent des Proteinbedarfs durch Fleisch und Wurstwaren gedeckt werden. Derzeit sind es zwei Drittel. Auch wenn die Verringerung des Fleischkonsums häufig im Vordergrund der Diskussion steht, haben auch Molkereiprodukte, insbesondere Butter und Käse, eine hohe Klimawirkung. Deshalb gilt der Ratschlag, Käse, Sahne und Butter auch zukünftig in Maßen zu genießen.
Deutschland ist Mitverursacher der globalen Ernährungskrise, kann aber mit dem richtigen ernährungspolitischen Gesamtkonzept Teil der Lösung werden. Ziel sollte es in Zukunft sein, dass die einfache Wahl die gesunde und nachhaltige Wahl ist. Vor diesem Hintergrund sollte die Bundesregierung eine Ernährungsstrategie verabschieden, deren Ziel es ist, dass die Ernährungsgewohnheiten in Deutschland sich zukünftig in den planetaren Belastungsgrenzen bewegen. Die aktuelle WWF-Rabattanalyse zur Grillsaison zeigt, dass derzeit z. B. Fleisch für preisbewusste Käufer attraktiver ist als die umweltfreundlicheren, vegetarischen Grill-Produkte. Nachhaltige Ernährung wird dadurch zu einer sozialen Frage. Notwendig ist eine Umsteuerung z. B. durch eine Lenkungsabgabe auf tierische Lebensmittel. Diese könnte differenziert gestaltet werden, sodass nachhaltigere Produkte, z. B. Bioprodukte, weniger oder gar nicht belastet werden würden. Eine weitere Forderung ist die Einführung eines verbindlichen Nachhaltigkeitslabels für Lebensmittel, welches sowohl Gesundheit, Tierwohl, Umwelt und soziale Aspekte berücksichtigt. Hier gibt es bereits vielversprechende Ansätze. Ziel ist, dass Verbraucher zukünftig auf einen Blick sehen, wie das Lebensmittel zu bewerten ist. Dies könnte wiederum die Grundlage für eine differenzierte Nachhaltigkeitssteuer auf Lebensmittel sein. Die Umgestaltung sollte sozialverträglich gestaltet werden, empfohlen wird unter anderem eine Nachhaltigkeitsprämie für einkommensschwache Haushalte. Mehr Infos gibt's unter: wwf.de/so-schmeckt-zukunft
Jeder Schritt zählt. Pflanzlichen Proteinen sollte der Vorzug gegeben werden. Sie haben oft höhere und gesündere Proteingehalte als Fleisch- und Molkereiprodukte, und das ohne Fett und Cholesterin. Die Vielfalt nimmt zu und reicht von Soja über Lupinen, Bohnen und Linsen bis zu Pilzproteinen und Mikroalgen. Eine weitere Empfehlung: Weniger und besseres Fleisch einkaufen sowie dem gesamten Tier Wertschätzung entgegenbringen - von Nose to Tail. Wichtig ist auch, Flugware als Genussware zu sehen, denn pro Kilogramm Lebensmittel entstehen bei einem Flugtransport bis zu 170-mal so viele klimaschädliche Emissionen wie bei einem Schiffstransport. Dazu gehören z. B. exotische Obstsorten wie Papayas, Guaven und Mangos. Und für den Einkaufskorb gilt: am besten zusammen – regional, saisonal und so oft es geht, Bioware oder zertifizierte Ware. Denn regional allein ist nicht notwendigerweise ein Beleg für eine nachhaltige Erzeugung. Auch intensiv erzeugtes Gemüse aus dem beheizten Folientunnel oder das Masthähnchen aus einem Stall mit 40.000 Tieren kann regionaler Herkunft sein. WWF hat da einen guten Saisonkalender für Obst und Gemüse.
Aus Umweltsicht sind pflanzliche Proteine und entsprechende Fleischersatzprodukte die besten Alternativen zu Fleisch. Für ihre Erzeugung wird deutlich weniger landwirtschaftliche Fläche benötigt, sie belasten zudem Grundwasser und Boden mit weniger Nährstoffen und emittieren geringere Mengen von Treibhausgasen. Generell gilt aber auch: Fleischersatzprodukte sind zumeist hoch verarbeitete Lebensmittel, die sich erst durch die Verwendung zahlreicher Zusatzstoffe und durch aufwendige Verarbeitungsprozesse dem Charakter von Fleisch anverwandeln. Daher sollten wir Lebensmitteln den Vorzug geben, die wenig oder gar nicht weiterverarbeitet sind.
Insekten enthalten viel Eiweiß und Fett. Einzelne Insektenarten bestehen bis zu 80 Prozent aus Proteinen, andere enthalten viele Mikronährstoffe, wie Vitamine und Eisen. Weil Insekten deutlich weniger Wasser, Land und Futtermittel verbrauchen, ist ihre Aufzucht nicht nur weniger klimaschädlich als die der üblichen Nutztiere, sondern auch kostengünstiger. Daher können sie zu einem wichtigen Nahrungsmittel der Ernährungswende werden. Da in Deutschland die Skepsis gegenüber Insekten auf dem Teller noch groß ist, gehen Experten gehen davon aus, dass Produkte aus Insektenmehl wie Nudeln oder Proteinriegel eher Chancen auf dem europäischen Markt haben als Tiere, bei denen noch Augen, Fühler und Beinchen erkennbar sind. Festzustellen ist, dass das Marktvolumen für essbare Insekten nicht nur weltweit, sondern auch in Europa wächst.
An vorderster Stelle als gute Proteinlieferanten stehen hier die vielfältig angebotenen Hülsenfrüchte. Bohnen, Linsen, Kichererbsen, Lupinen oder Erdnüsse sind nicht nur gesund für Menschen, sondern auch für die Umwelt. Während Rind-, Schweine- und Hühnerfleisch über einen Proteingehalt von rund 20 bis 22 Prozent im Rohzustand verfügen, enthalten pflanzliche Top-Proteinlieferanten rund 35 bis 40 Prozent, dazu gehört z. B. die Süßlupine oder die Sojabohne. Aber auch Nüsse und Samen sind gute Eiweißlieferanten. Bei Kürbiskernen etwa liegt der Proteingehalt bei rund 36 Prozent, bei Walnüssen bei 17 Prozent. Weitere Proteinlieferanten sind z. B. ölhaltige Mikroalgen oder Pilzeiweiß (Mykoprotein), wie z.B. Quorn. Weitere Infos unter: wwf.de/proteinfrage
Fisch ist etwas Besonderes: Die Nachfrage nach Fischprodukten ist zu hoch und kann auf dem derzeitigen Niveau nicht aufrechterhalten werden. Vertrauenswürdige Umweltsiegel gewährleisten die Rückverfolgbarkeit des Produktes. Für Fisch aus Zuchten sind dies die Siegel von Bioland und Naturland sowie vom ASC (Aquaculture Stewardship Council). Für Wildfisch ist das MSC-Siegel (Marine Stewardship Council) derzeit die umfassendste Orientierungshilfe. Der WWF-Fischratgeber zeigt, welche Fischarten zu bevorzugen sind (fischratgeber.wwf.de).
Mit dem Besseresser:innen-Wochenmenü zeigt der WWF konkret, was es heißt, sich eine Woche lang planetarisch-kulinarisch zu ernähren. Eine Woche voller köstlicher und leicht zuzubereitender Gerichte, die die Empfehlungen der EAT-Lancet- Kommission berücksichtigen. Das Menü ist ein Beispiel dafür, wie wir zukünftig unseren Tisch decken können: nachhaltig, bunt, lecker und gesund. Dazu gehört z.B. unser bunter Hirsesalat, das minzige Erbsen-Kräuter-Pesto oder der sehr leckere Antipasti-Brotaufstrich auf selbstgebackenem Kürbis-Dinkel-Krustenbrot.
Mittlerweile gibt es auch für die, die sich noch nicht als Köche fühlen, so viele Apps, die guten Rat, Tipps und Rezepte liefern. Ein anderes Einkaufen ausprobieren, z. B. über die Marktschwärmer oder eine nachhaltigere Landwirtschaft in der Region unterstützen z. B. die Ackercrowd oder die Regionalwert-AG. Mein Motto: Neugierig für neue und andere Rezepte bleiben, die mehr Vielfalt auf dem Teller zulassen und aus den Resten im Kühlschrank was Neues zaubern lassen.
Derzeit mache ich sehr gerne Ofengemüse mit vielen Kräutern von unserem Balkon. Ein weiteres schnelles Lieblingsgericht ist Auberginen-Shakshuka. Gerne begleitet von dem Kürbis-Dinkel-Brot aus unserem WWF-Wochenmenü.
Alle Infos, Interviews und Tipps für eine umweltfreundliche Ernährung erhalten Sie auf www.burda.com/de/eatbetter/.
Den "Kulinarischen Kompass für eine gesunde Erde" finden Sie im Anhang unten zum Download.