Felix Burda Stiftung
07.06.2019

Von der Gala ins Gesetzbuch

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Manche Begegnungen verändern den Lauf eines ganzen Lebens. In Claudia Neumanns Fall sogar viele tausend Leben. Doch von Anfang an.

Mit 27 erkrankt Claudia an Darmkrebs, kämpft und siegt. Was bleibt sind ein künstlicher Darmausgang und Unfruchtbarkeit. Heute möchte die 32-Jährige auf das Thema Prävention aufmerksam machen, um andere Menschen vor ihrem Schicksal zu bewahren. Dafür wurde sie vergangenes Jahr im Rahmen des Felix Burda Award mit dem Ehrenfelix ausgezeichnet. Dieser ehrt Menschen, die wie Hubert Burdas Sohn Felix an Darmkrebs erkrankt sind und die trotz ihrer Erkrankung etwas bewegen und sich für andere stark machen wollen. Ihre Dankesrede nutzte die Preisträgerin dazu, den anwesenden Gesundheitsminister Jens Spahn direkt auf eine notwendige Gesetzesänderung anzusprechen.

Was sich seitdem getan hat, wie die Auszeichnung sie in ihrer Mission unterstützt und wie Burda durch die Felix Burda Stiftung und die Ehrung von engagierten Betroffenen wirklich etwas für die Darmkrebsprävention bewegt, berichtet sie hier im Interview.

Vor genau einem Jahr hast Du auf der Bühne über deine Initiative gesprochen – Was ist seitdem passiert?

 Mein Anliegen ist, dass die Krankenkasse die Kosten zur Fruchtbarkeitserhaltung junger Krebspatienten übernimmt und ihnen damit die Möglichkeit zum Kinderwunsch erhält. Das habe ich Minister Spahn beim Felix Burda Award das erste Mal persönlich gesagt. Er versprach daraufhin, uns mit dem Vorschlag zur Kryokonservierung zu unterstützen.

Nach dem Award gab es in Berlin eine dreistündige Sitzung mit sämtlichen Interessenvertretern des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG). Was mich überrascht und begeistert hat, war, dass es überhaupt nicht kontrovers diskutiert, sondern einhellig unterstützt und positiv wahrgenommen wurde.

Im März kam der Beschluss und im Laufe des Jahres wird das Gesetz nun endlich für alle Betroffenen gelten.

Warum wurde der Fruchtbarkeitserhalt bisher gesetzlich nicht berücksichtigt?

Das Thema war einfach nicht präsent. Durch den Felix Burda Award letztes Jahr und den direkten Kontakt zum Minister bekam das Ganze eine ganz andere Bedeutung und öffentliche Aufmerksamkeit.


„Ohne diesen persönlichen Kontakt, das bestätigte auch Jens Spahn, wäre das Gesetz auf gar keinen Fall so schnell beschlossen worden. Es hilft, wenn man ein Gesicht und eine Geschichte zu einem Thema hat."


Was ist das Problem und wie hilft die Gesetzesänderung?

Durch die Strahlentherapie werden meist alle Ei- und Samenzellen zerstört. Manchmal, sagen die Ärzte, erholt sich der Körper selbst wieder – alles Trial-and-Error. Die Erfahrung mit so jungen Leuten fehlt einfach. Weil Krebs grundsätzlich einfach noch eine Erkrankung ist, mit der man mit 50, 60 plus rechnet. Dann ist die Familienplanung in aller Regel auch schon abgeschlossen.

Es geht auch nicht nur um Eizellen, sondern auch darum bei krebserkrankten Männern die gesunden Samenzelleneinzufrieren und zu lagern. Dank der Gesetzesänderung übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen nun diese Kosten von bis zu 4300 Euro. Diese Unterstützung bedeutet für die Betroffenen wirklich alles. Die Chance zu bekommen, später eine Familie mit Kindern zu haben, ist unbeschreiblich.

Was motiviert Dich?

Das Thema betrifft mich persönlich. Durch meine Krebserkrankung bin ich heute leider unfruchtbar. Ich finde es gut, dass dieser Fruchtbarkeitserhalt jetzt ein Teil der Therapie werden kann, ohne dass man sich dort noch Gedanken machen muss, ob man es sich überhaupt leisten kann. Gerade als junger Mensch.

Ich kenne das aus eigener Erfahrung. Du weißt nach der Krebsdiagnose ja gar nicht, was passiert denn jetzt plötzlich? Du bist so sehr mit dir selbst beschäftigt, versuchst die richtige Therapie zu finden, um überhaupt gesund zu werden. Ich finde es einfach wichtig, so viele ‚Nebenbaustellen‘ wie möglich von der Genesung fernzuhalten. Man denkt ja gar nicht an ein Leben danach. ‚Das Leben danach‘ kommt erst wieder, wenn dir jemand sagt, ‚Du bist gesund.‘  Bisher muss man darüber allerdings bereits nachdenken.

Was würdest du jungen Menschen raten?

Wenn jemand Symptome hat, finde ich es wichtig, dass man zum Hausarzt geht und die Probleme bespricht und sich nicht abwimmeln lässt. Außerdem, dass man mit seiner Familie darüber spricht und herausfindet, welche onkologische Geschichte die eigene Familie hat. Mit dem Wissen um eine familiäre Vorbelastung kann man umso mehr auf sein Recht beim Arzt pochen und Untersuchungen einleiten.

Du bist eine Art Gallionsfigur in der Darmkrebsprävention geworden – wie ist es dazu gekommen?

Das ist eine gute Frage! (lacht) Seit letztem Jahr bei der Felix Burda Award-Verleihung - das war für mich gefühlt wie eine kleine Bombe, die explodiert ist. Ich habe gemerkt, dass wenn man sich mit Leidenschaft in eine Sache reinkniet, Dinge zum Positiven verändern kann. 

Letztens hat ein Freund zu mir gesagt, ‚Claudi, ich weiß, dass die Stiftung da schon lang daran gearbeitet hat. Aber Du warst der Tropfen zum Überlaufen. Dir werden so viele Leute in Zukunft dankbar sein.‘ Das klingt so absurd, aber irgendwie klingt es auch wahr. Das ist ein ganz kurioses Gefühl, das man gar nicht richtig beschreiben kann.

Du hast mal den Satz zitiert: „Lieber den Beutel am Bauch als den Zettel am Zeh“ – wie wichtig ist Dir Humor im Angesicht der Krankheit? Und wie geht es Dir jetzt?

Ich bin generell jemand, der versucht, das Leben so leicht wie möglich zu nehmen. Ich versuche, jeder Situation noch etwas Gutes oder zumindest Witziges abzugewinnen.

Der Stoma-Beutel am Bauch ist das, was bei mir von der Erkrankung maßgeblich zurückgeblieben ist. Ich habe das Gefühl, das ist für die anderen schlimmer als für mich selbst. Am Ende ist es etwas ganz Natürliches, nur spricht keiner darüber.

Es ist nun mal so, das muss man ganz pragmatisch sehen: Als ich damals diagnostiziert worden bin, war das ein T4 Tumor mit Metastasen und hätte ich den Beutel nicht, wäre ich nicht mehr am Leben.

Wenn jemand hört, dass ich so schwer krebskrank war, ist der meistgehörte Satz: ‚Oh, das sieht man dir aber gar nicht an. Du siehst aber gut aus.‘ Ich denke dann, naja, ich muss ja deswegen nicht aussehen, wie der Tod auf Latschen.

Das Gesetz ist auf dem Weg - Was ist dein nächstes Projekt?

Ein Thema, das mich weiterhin umtreibt, ist Armut bei jungen Krebserkrankten. Ein weiteres die Zusammenarbeit mit Angehörigen. Hier muss mehr Struktur reinkommen. Und was mir persönlich auch sehr wichtig ist, das betrifft maßgeblich auch den Darmkrebs, ist, dass die Tests zur genetischen Vorbelastung in der Familie viel früher, unkomplizierter und kostengünstiger vorgenommen werden.

 

Die Tradition setzt sich fort: Vor wenigen Wochen wurde der Sonderpreis des Ehrenfelix erneut vergeben – an den 26-jährigen Bernd Zienke, der bereits zum zweiten Mal gegen Darmkrebs kämpft. Rückendeckung bekam er von Vorjahresgewinnerin Claudia Neumann, die ihre Stimme beim Felix Burda Award im Mai in Berlin wieder nutzte, um die anwesende Bundesministerin für Forschung und Bildung, Anja Karliczek, direkt anzusprechen und einen persönlichen Termin zu vereinbaren.

Burda bewegt

Der Ehrenfelix ehrt Menschen, die wie Hubert Burdas Sohn Felix an Darmkrebs erkrankt sind und die trotz ihrer Erkrankung etwas bewegen und sich für andere stark machen wollen. Der Felix Burda Award ist heute der bekannteste Gesundheitspreis, der es Betroffenen, wissenschaftlichen Experten, Unternehmensvertretern und politischen Entscheidungsträgern ermöglicht, in lockerer Atmosphäre wichtige Themen der Gesundheitspolitik zu diskutieren, Projektideen und politische Initiativen zu entwickeln. Dass manchmal lebensentscheidende Projekte und Gesetze daraus entstehen, dafür steht die Geschichte von Claudia Neumann.

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Weitere Impressionen & Downloads

2018: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn versprach Claudia seine Unterstützung bei ihrer Initiative © BrauerPhotos für Felix Burda Stiftung

2019: Bundesministerin für Forschung und Bildung Anja Karliczek spricht Claudia ebenfalls ihre Unterstützung aus © BrauerPhotos / O. Walterscheid fuer Felix Burda Stiftung

2018 wurde Claudia mit dem Ehrenfelix ausgezeichnet © Felix Burda Stiftung

Auch dieses Jahr war Claudia Neumann wieder beim Award - und diesmal kam dank Moderator Guido Cantz das Mikrofon direkt zu ihr ins Publikum  © BrauerPhotos / O. Walterscheid fuer Felix Burda Stiftung

Bernd Zienke (Ehrenfelix 2019) mit Stiftungsgründerin Christa Maar (c) BrauerPhotos / O. Walterscheid fuer Felix Burda Stiftung

Gewinner und Organisatoren des diesjährigen Felix Burda Awards in Berlin (c) BrauerPhotos / O. Walterscheid fuer Felix Burda Stiftung

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