In Krisenzeiten wirkt Optimismus oft naiv. Christian Teichmann erklärt, warum Visionen und der feste Glaube an Fortschritt jetzt entscheidend sind und wie diese Haltung zur Strategie von BurdaPrincipal Investments gehört
Mit einem Schlag ist alles anders. Die Sorgen, die am Tag zuvor noch den Kopf füllten, verblassen. Nur eines zählt: Dass der Mensch, den man liebt, wieder gesund wird. Ein Gefühl, das viele kennen, wenn das Leben abrupt die Richtung ändert. Für Daniela und Anna kam dieser Moment Anfang letzten Jahres. Danielas Partner erhält die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs. Hunderte Kilometer entfernt verliert Anna den Kontakt zu ihrem Bruder, der sich zusehends aus der Welt zurückzieht.
Zwei Frauen, zwei Angehörige, zwei Geschichten. Unterschiedliche Erkrankungen, unterschiedliche Situationen – und doch ein gemeinsamer Schmerz: die Angst um einen geliebten Menschen. Und die Frage, die sich beiden stellte: Wie kann ich helfen, wenn mein eigenes Leben ins Wanken gerät?
Daniela und Anna sind Kolleginnen bei Burda. Ihre Erfahrungen teilen sie im Rahmen des Mental Health Awareness Monats – nicht als Expertinnen, sondern als Angehörige. Sie sprechen offen darüber, was ihnen geholfen hat und was sie anderen mitgeben wollen, die sich in ähnlichen Situationen wiederfinden.
Wichtig: Diese Hinweise basieren auf persönlichen Erfahrungen dieser beiden Burda-Kolleginnen. Hier berichten sie von dem, was ihnen und ihren Liebsten geholfen hat. Wie sie mit der Situation umgegangen sind, kann auch für andere hilfreich sein. Bitte beachtet, dass jede Situation sehr individuell ist und insbesondere in solchen Fällen unterschiedliche Herangehensweisen helfen können.
„Man will sofort trösten, beruhigen, etwas sagen“, erzählt Daniela von ihrem ersten Impuls nach der Krebsdiagnose ihres Mannes. „Aber als ich im Krankenhaus ankam, wusste ich: Worte bringen nichts. Ich habe ihn einfach umarmt, habe ihn gehalten. Wir haben beide geweint. Das war genug.“
Statt beschwichtigender Sätze wie „Alles wird gut“ brauchte es etwas anderes: Halt ohne Versprechen. Nähe ohne Lösung. „Ich habe gelernt, auszuhalten. Nicht sofort aktiv zu werden. Die Gefühle da sein zu lassen – auch meine eigenen“, sagt Daniela. Keine Ratschläge, keine Floskeln. Nur Präsenz. „Du musst nicht stark sein. Du darfst verzweifelt sein. Traurig. Wütend. Es ist ein Schockmoment. Und den muss man fühlen dürfen.“
Anna erinnert sich an ihren ersten Gedanken: „Ich wollte meinen Bruder schütteln. Ihm sagen: Hör auf damit. Du musst dir helfen lassen.“
Aber sie wusste: Genau das hätte alles schlimmer gemacht. Also tat sie etwas anderes. „Wir haben unsere Lieblingsserien, RuPaul’s Drag Race, Queer Eye oder Gravity Falls geschaut. Wir saßen einfach nur schweigend nebeneinander“, erzählt sie. „Und irgendwann hat er angefangen zu erzählen.“ Geholfen hat, einfach da zu sein. „Man denkt, man muss etwas sagen oder eine Lösung liefern. Aber das setzt oft nur unter Druck“, erklärt Anna. „Gerade bei Depressionen fehlt oft die Energie, selbst einfache Schritte zu gehen. Das ist nicht Faulheit – das ist Teil der Krankheit.“
Ein Satz hat sich bei Daniela eingebrannt: „Ich kann das nicht“, gesagt von ihrem Mann, über das Einräumen der Spülmaschine. „Ich wollte alles für ihn machen. Ich dachte, ich helfe ihm damit“, erzählt sie. Doch sie merkte schnell: Je mehr sie ihm abnahm, desto mehr glitt er in eine Opferrolle ab. „Kleine Aufgaben geben Struktur und Selbstwert“, sagt sie heute. „Sie zeigen: Ich bin nicht nur krank. Ich kann etwas.“
Auch Anna kennt diesen Zwiespalt. „Natürlich will man entlasten. Aber manchmal ist genau das Gegenteil hilfreich: den anderen sanft ermutigen, kleine Dinge selbst zu tun.“ Ihre Mutter nahm ihren Bruder immer mit zum Einkaufen, oft hatte er keine Lust – „aber hinterher ging es ihm meistens besser.“
Krankheit ist allgegenwärtig. Umso wichtiger sind Momente, in denen das Leben weitergehen darf. „Ich habe uns einfach Nudeln mit Tomatensoße gekocht. Für uns beide ein Essen, das uns in unsere Kindheit zurückversetzt und uns ein gutes Gefühl gibt“, erzählt Anna. „Wir haben zusammen gegessen, ohne die Depression zu thematisieren. Es tat ihm gut, einfach mal ‚normal‘ zu sein – und mir auch.“ Selbst bei Besuchen in der Klinik wollte er mehr über ihr Leben erfahren, anstatt über seine Therapie zu sprechen.
„Es geht darum, zu zeigen, dass das Leben noch mehr ist als nur die Krankheit“, ergänzt Daniela. „Als es meinem Mann gesundheitlich besser ging, haben wir Freunde besucht. Diese Stunden haben uns wieder durchatmen lassen und uns Kraft gegeben, weiterzumachen.“
Wer stützt, braucht selbst Halt. Doch genau das erkennen Angehörige oft nicht – bis sie zusammenbrechen. Daniela und Anna haben gelernt: Selbstfürsorge ist nicht egoistisch, sondern notwendig.
Angehörige von Personen mit psychischen Problemen machen sich oft Vorwürfe: Hätte ich es früher merken müssen? Was hätte ich anders machen können? Anna kennt diese Gedanken gut: „Mentale Erkrankungen sind unsichtbar. Man kann nicht immer sehen, dass jemand Hilfe braucht. Es ist nicht deine Schuld, wenn du die Symptome nicht früher erkannt hast“, erklärt sie. „Wichtig ist, den Rückzug der betroffenen Person nicht als persönlichen Affront zu werten, sondern als Teil des Ganzen.“
„Es ist okay, nicht immer stark zu sein“, sagt Daniela. „Ich habe irgendwann gemerkt, dass ich mich nicht mehr allein durchbeißen kann – und auch will.“ Sie reduzierte ihre Stunden, gab Aufgaben an ihr Team ab, bat gezielt um Hilfe. Was sie zurückbekam: jede Menge Support und Verständnis. „Ich habe ein tolles Team um mich herum, das geholfen hat, auf mich zu achten und mir den Rücken freigehalten hat“, erzählt sie. Ihre Kolleg:innen sind eingesprungen und haben zugehört.
Auch Anna macht kein Geheimnis mehr aus ihrer Überforderung: „Ich spreche es aus. Wenn ich innerlich voll bin, lasse ich es raus. Und allein das – dieses Aussprechen – löst schon etwas in mir. Man muss nicht immer versuchen, stark zu sein. Es ist okay, zu sagen, dass man Hilfe braucht.“
„Das Wichtigste, das ich gelernt habe: Du kannst nicht ständig in der Rolle des Helfenden bleiben, ohne irgendwann selbst auszubrennen“, sagt Anna. Heute sagt sie auch mal Nein, um nicht an ihre Grenzen zu kommen. „Wenn du dich selbst nicht achtest, kannst du auch keinem anderen mehr helfen. Nicht dauerhaft funktionieren zu müssen, ist überlebenswichtig.“ Ihr Ausweg: Zeichnen, Schreiben – kleine Rituale, die ihr Kraft geben.
Auch Daniela hat gemerkt, dass sie Grenzen setzen darf. „Das macht mich nicht zu einem schlechteren Menschen. Es mag ein ‚Nein‘ zu etwas sein, aber auch ein ‚Ja‘ für mich.“ Sie fand ihre Balance in Meditationen: „30 Minuten nur für mich. Kein Handy. Keine To-dos. Einfach nur Stille, atmen und bewusst bei mir ankommen.“
„Ich dachte immer: Ich bin doch gar nicht die Kranke“, sagt Anna. Und doch hat sie sich über Wochen innerlich aufgezehrt, nachts schlecht geschlafen, kaum gegessen.
„Ich habe lange gezögert, um mir Hilfe zu suchen“, erzählt Anna. „Aber dann habe ich gemerkt, wie sehr es mich belastet, auch wenn ich selbst nicht erkrankt bin. Ich habe die telefonische Beratung vom Fürstenberg Institut in Anspruch genommen, und das war ein absoluter Wendepunkt für mich. Ich wurde ernst genommen – nicht als Co-Betroffene, sondern als Mensch mit eigener Not.“
Ihre größte Erkenntnis:: „Man muss nicht alles allein tragen. Man darf überfordert sein. Und man darf sich Hilfe holen – nicht erst, wenn nichts mehr geht.“
Danielas Mann ist heute krebsfrei. Annas Bruder ist nicht mehr in der Klinik – er ist weiter in Behandlung, aber auf dem Weg der Besserung. Beide haben die schwerste Phase überstanden. Und beide blicken nach vorn. Nicht, weil alles gut ist. Sondern weil sie gelernt haben, dass es weitergeht.
Dieser Text ist im Rahmen des Mental Health Awareness Monat im Mai entstanden. Wir unterstützen den offiziellen Aktionsmonat, um das Bewusstsein für mentale Gesundheit zu schärfen und die Förderung der mentalen Gesundheit am Arbeitsplatz zu unterstützen.