Wie gelingt es großen Unternehmen sich neu zu erfinden? Thorsten Scheib diskutierte mit Unternehmer Frank Thelen und Bita Daryan, Leiterin der Group Innovation Strategy bei VW, beim letzten Focus Inner Circle digital.
„Wir brauchen heute und morgen konkretes Handeln! Das ist im ureigenen Interesse Deutschlands. Wenn die Ukraine fällt, bekommt Putin Appetit auf mehr und dann kann er spielen, wie er will. Dann werden vielleicht auch Sie sich fragen: Gibt es hier Schutzbunker gegen die Bomben?“, prophezeit der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk beim gestrigen Focus Inner Circle im Palais Populaire in Berlin. Auf Einladung von Focus-Chefredakteur Robert Schneider debattierten die Gäste zum Thema „Zeitenwende – 20 Tage, in denen alles anders wurde“. Neben Andrij Melnyk (Botschafter Ukraine), Mario Czaja (MdB, Generalsekretär CDU) und Robin Wagener (MdB, Die Grünen), ergänzten der Militärexperte Gustav Gressel sowie die Menschenrechtsaktivistin Oleksandra Bienert das Podium. Die Moderation übernahmen Focus-Politikchefin Franziska Reich sowie Gudrun Dometeit, Leiterin des Focus-Auslandsressorts.
Mehrfach wurden Forderungen gegenüber der neuen Ampel-Regierung laut, sich in den drängenden Fragen des Krieges und der Strategie gegenüber Russland koordinierter und aktiver aufzustellen. Wie weiter mit Sanktionen, Waffenlieferungen, dem Beitritt der Ukraine in die EU? Das bisherige Vorgehen sei beschämend für alle Beteiligten, befindet Botschafter Melnyk.
„Die Bundeswehrgeneräle geben uns immer noch keine Chance. Die sagen: Gut gemacht, tapfere Ukrainer. Aber ihr werdet verlieren. Das ist beleidigend. Das ist auch beschämend. Für meine Landsleute, für mein Volk. Dass man die Lage nach 20 Tagen Widerstand immer noch so einschätzt und keine Hilfe schickt. Man möchte hier im politischen Berlin einen Schein-Frieden erreichen. So schnell wie möglich, egal auf welche Kosten. Mit dem zynischen Argument: Damit die Zivilisten nicht sterben müssen. Aber die Regierung sollte dringend etwas tun, denn die Menschen sterben. Ihr müsst etwas tun.“
Andrij Melnyk, Botschafter Ukraine
„Ich schäme mich. Theoretisch könnte man viel mehr machen. Aber gleichzeitig muss man abwägen und schauen: Was können wir tatsächlich tun? Welche Folgen hätte das? Welche weiteren globalen Eskalationen kann das bedeuten? Ich fühle Scham, auch wenn ich weiß, dass wir nicht immer das tun können, was das Herz uns auch gebietet. Was wir tun, wird nicht ausreichen. Wir haben ein unheimlich starkes Sanktionspaket europäisch und transatlantisch in großer Einigkeit hingekriegt. Das wirkt jetzt schon, obwohl es noch gar nicht in voller Entfaltung ist. Aber ja, da muss immer weiter nachgelegt werden, um Mechanismen aufzugreifen und auch abzuschalten.“
Robin Wagener, Abgeordneter der Grünen und Vorsitzender der deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe
„Es ist beschämend zu sagen, dass wir aufgeben sollten, der russische Krieg in der Ukraine läuft seit 2014, die Menschenrechtsverletzungen finden seither statt. Wir kämpfen für unsere Freiheit. Wir kämpfen aber auch, weil unsere Dichter erschossen wurden, weil unsere Sprache verboten wurde. Wir brauchen keinen Fake-Frieden in der Ukraine. Es ist beschämend für uns zu hören, ihr könnt die Waffen niederlegen. Wir werden das nicht machen, weil wir wissen, was dann mit uns passiert. Zivilisten werden dann ermordet. Es gibt für uns nur den Weg, dass wir uns mit Ihrer Hilfe rüsten und dann zurückschlagen.“
Oleksandra Bienert, Menschenrechtsaktivistin
Militärexperte Gressel fordert ebenfalls sofortige Unterstützung in Form von Waffenlieferungen noch in diesem Monat, bevor sich die russische Armee personell aufstockt.
„Ich schätze, dass die jetzige Ruhe nicht nur ein Umgruppieren der russischen Kräfte und ein Einführen von weiteren Kommandos und Koordinationsstellen ist, die sie brauchen, um das Chaos in den eigenen Reihen zu ordnen. Sondern, dass der erste April und die darauffolgenden Wochen für die Kräfteregenerierung auf der russischen Seite entscheidend sind. Putin wird sicherlich nochmal andrücken. Das heißt aber noch lange nicht, dass er mit dem Sieg davon geht. Wenn auch die zweite Welle ohne entscheidende Geländegewinne vor allem um Kiew und Kharkiv überlebt wird, dann ist der Ermattungsfriede in Moskau nicht mehr weg zu diskutieren. Aber bis dahin müssen wir kommen. Bis dahin müssen wir auch im Westen sehen, dass die westlichen Nachschublinien funktionieren. Sie sind die einzigen sind, die die Ukraine jetzt noch hat.“
Gustav Gressel, Militärexperte
Bei der Frage des Umgang mit Geflüchteten kritisierte CDU-Generalsekretär Mario Czaja die Bundesregierung scharf.
„Ich erwarte von der Bundesregierung, dass die drei Ministerinnen, die für die Flüchtlingsfrage verantwortlich sind, deutlich machen, dass wir einen Flüchtlingsgipfel brauchen“, so Czaja, „dass wir die Versorgung und die Registrierung der Flüchtlinge regeln. Wenn ich höre, dass eine Ministerin sagt: Wir sind schon mit 100000 überfordert. Polen aber schon 1,7 Millionen Flüchtlinge aufgenommen hat, dann sage ich, das Problem muss jetzt, in dieser Woche gelöst werden und darf nicht weiter hinausgeschoben werden.“
Mario Czaja, CDU-Generalsekretär
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