BurdaPrincipal Investments, hat seine Investments um den Bereich Fintech erweitert und sich an der aktuellen Finanzierungsrunde der Renten- und Anlage-App Moneybox beteiligt.
Kein Thema war das erste Halbjahr hinweg über sämtliche Branchen so dominant wie künstliche Intelligenz (KI). Und der Hype hält an. Besonders spannend in diesem Bereich sind die vielen jungen Unternehmen und die neuen Geschäftsmodelle und Produkte, die sie entwickeln.
Investment Manager Friedrich von Wulffen beschäftigt sich bereits seit seinem Studium mit KI und ist einer der KI-Experten bei BurdaPrincipal Investments (BPI). Bei der aktuellen „German AI Startup Landscape“ des appliedAI Institute for Europe hat er mitgewirkt und deren Analyse zeigt eindrücklich: Die Zahl der deutschen KI-Startups ist massiv im Vergleich zum Vorjahr angestiegen. Aber wie sieht es eigentlich im internationalen Vergleich aus? Diese Einordnung, wie der Wachstumskapitalgeber von Burda die Entwicklungen betrachtet und was diese für ihn bedeuten, erklärt Friedrich von Wulffen im Interview.
Spannenderweise ist KI gar kein neues Thema. Das fundamentale Forschungsgebiet gibt es sogar schon seit 1956. Selbst die aktuell gehypten Modell-Architekturen – sogenannte Transformers – wurden bereits 2017 erfunden und OpenAI‘s GPT-3 Modell vor drei Jahren veröffentlicht. Seitdem wurden die sogenannten Foundation Models immer größer und besser. Völlig neu ist seit letztem Jahr allerdings, dass das Thema generative KI und sein Potenzial auf ein ganz neues Bewusstseinslevel gehoben wurde und auch außerhalb der Tech-Bubble angekommen ist. Grund dafür sind die endnutzerfreundliche Veröffentlichung und das „viral gehen“ von Text-To-Image Modellen, wie beispielsweise Midjourney, und der großen Sprachmodelle – also Large Language Models (LLM). In aller Munde ist bei zweiterem vor allem Chat GPT. Bei BPI haben wir uns 2018 erstmalig intensiver mit dem Thema Machine Learning (ML) auseinandergesetzt und unseren ersten Deep Dive in das Thema gemacht.
Durch die flexibel einsetzbaren, großen Foundation Models, wie GPT-4, erleben wir so etwas wie eine „Produktisierung“ oder „Industrialisierung“ von KI: Auf der einen Seite entstehen damit ganz neue Endnutzer-Applikationen, auf der anderen Seite können aber auch bestehende Produkte durch KI angereichert werden – ohne, dass teure und gut ausgebildete ML-Talente darauf angesetzt werden müssen. Wir beobachten beide Stoßrichtungen, bleiben aber unseren Investmenthypothesen im Kern treu. Das heißt, dass wir uns nach wie vor auf digitale Geschäftsmodelle fokussieren, die Probleme direkt beim Endkonsumenten oder Unternehmen lösen und bereits ihren „product-market-fit“ bewiesen haben. Bei neuen Technologiesprüngen kann es nämlich auch vorkommen, dass man in eine Technologielösung investiert, die noch nach einem zu lösenden Problem suchen muss. Wir sind noch am Anfang dieser Welle. Aktuell wird viel in Tools und Infrastruktur investiert. Der meiste ökonomische Profit landet noch in Rechenzentren. Wir interessieren uns vor allem für die neuen Produkte und Geschäftsmodelle, die in Zukunft auf dieser neuen Plattform nachhaltige Geschäftsmodelle aufbauen können.
Für Startup Investoren ist zudem zu beachten, dass auch die meisten etablierten Unternehmen das Thema generative KI auf dem Schirm haben, viel investieren und in vielen Bereichen durch bestehende Kundenschnittstellen und -daten einen Vorteil haben. Vor allem in Bereichen, in denen etablierte Unternehmen über tiefe, proprietäre Datenmengen verfügen und diese nutzen können, um eigene, bessere KI-Modelle zu trainieren, kann das ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sein. Dieser wird für kleine neue Player schwer zu überwinden sein. Ich denke hier zum Beispiel an den Bereich digitale Werbung. Daher sollten sich Startups zum einen auf Segmente fokussieren, bei denen sie nicht im direkten Wettbewerb mit großen (Tech-)Playern stehen, die diese Datenhoheit haben. Zum anderen sollten sie Produkte entwickeln, die den Mehrwert von generativer KI über völlig neue User Interfaces an die Endkunden bringen, die noch nicht von etablierten Unternehmen angeboten werden.
Ein großer Trend ist, dass sehr viel Venture Kapital in die fundamentale Plattform von generative AI investiert wird. Hier werden zum einen Tools finanziert, die genutzt werden, um generative AI- Modelle für spezifische Use Cases nutzbar zu machen. Dies führt unter anderem dazu, dass etablierte Enterprise Software Player ML-Expertise hinzukaufen, um am Ball zu bleiben. Zuletzt akquirierte Databricks das erst im Jahr 2020 gegründetes Startup MosaicML für satte 1,3 Milliarden Dollar. Zum anderen werden private Research Labs finanziert, die generative Modelle erforschen und entwickeln. Hierzu gehört auch ein nur vier Wochen altes Startup aus Frankreich, das zuletzt eine 100 Millionen Euro Seed-Runde abgeschlossen hat. Das war die bisher größte Seed-Runde, die es in Europa jemals gab und ist ein deutliches Zeichen für einen enormen Hype!
Wir sehen aber auch schon zunehmend Investments in die darauf aufbauenden End-Applikationen. Bislang floss das meiste Geld in Lösungen für horizontale Business-Funktionen also beispielsweise im Marketing, Sales und Customer Support. Besonders spannend finde ich die Produkte, die sich auf bestimmte Verticals spezialisieren. Hier werden aktuell viele Themen im Biotech Sektor – wie beispielsweise Protein Discovery – und im Healthcare, also z.B. zur Patient Administration, finanziert. Aber auch in Verticals wie E-Commerce, Education, Entertainment, Finance und Legal, die wir uns bei BPI schon länger anschauen, wird hier mehr entstehen.
Spannend zu sehen – und ein weiterer Trend – ist auch, dass Open Source Sprachmodelle, wie zum Beispiel LLaMA (Large Language Model Meta AI), immer stärker werden. Dies wiederum befeuert die Innovationsaktivität, da Startups vortrainierte Open Source Modelle auf spezifische Use Cases „finetunen“ können.
Europa hinkt leider beim Thema KI klar hinter den USA und China hinterher. Die meisten LLMs kommen aus den USA und China. Dennoch sehen wir auch hierzulande starke Player, wie zum Beispiel Aleph Alpha aus Deutschland oder Stability AI aus Großbritannien. Was mir außerdem Hoffnung macht, ist, dass viel KI-Talent in Deutschland ausgebildet wird, zum Beispiel an der TU München oder am Karlsruher Institut für Technologie. Hier steckt definitiv Potenzial drin
Was mich überrascht hat war vor allem die Explosion der Anzahl deutscher KI-Startups seit 2020 und 2021. Das zeigt mir zum einen, dass das Thema aktuell einen enormen Venture Capital-Hype erlebt. Außerdem kann es vielleicht schon ein Zeichen für die verkürzten Entwicklungszyklen im KI-Bereich sein und auf das Potenzial hinweisen, auf dieser Plattform neue Innovationen aufzubauen.
Laut einer aktuellen Studie von unseren Freund:innen bei Earlybird hat die TU München bislang im europäischen Vergleich die meisten AI-Gründer:innen hervorgebracht. Dies zeigt uns, dass wir hierzulande wirklich starke KI-Talentschmieden haben. Diese Talente gilt es nun in Deutschland zu halten! Unternehmen wie DeepL oder Aleph Alpha zeigen, dass auch hierzulande gut finanzierte und international bekannte Player im generative AI-Segment entstehen können. Mit Blick auf die Anzahl der generative AI-Startups sind uns die Briten trotzdem deutlich voraus. Anfang des Jahres zählte Sifted 55 generative AI-Startups aus Großbritannien. Damit liegen sie mit deutlichem Abstand auf Platz eins und mit (vergleichsweise) nur 17 Startups folgte Deutschland auf dem zweiten Platz.