Mit einer Eröffnungsfeier präsentierte sich gestern das neue Klimabüro von FOCUS online Earth in Bad Neuenahr-Ahrweiler der Öffentlichkeit
Bei Hubert Burda Media „schaffen“ rund 11.000 Menschen – viele von ihnen seit wirklich langer Zeit und manche ein ganzes Leben lang. Für sie ist Burda ein Stückchen Heimat, das ihnen ans Herz gewachsen ist. In dieser neuen Serie stellen wir Kolleg:innen vor, die seit mindestens 10 Jahren im Familienunternehmen tätig sind. Heute: Focus Online-Chefreporter Göran Schattauer (55), der 2002, vor 20 Jahren, bei uns seinen ersten Arbeitstag hatte und seitdem sehr viel Spannendes, Ungewöhnliches und buchstäbliches „krimireifes“ erlebt hat.
Ich bin in der DDR geboren und aufgewachsen. 1987, nach meinem Abitur, bekam ich ein Volontariat bei meiner Heimatzeitung, der „Volkswacht“ im thüringischen Gera. Da war ich 20 Jahre alt. Wichtig für mich war, in der politisch eher unverdächtigen Sportredaktion zu arbeiten, und das aus zwei Gründen: Erstens konnte man sich dort als Nicht-Partei-Mitglied dem Druck der SED-Schergen ganz gut entziehen. Zweitens, und das war das Entscheidende: Der Job bot perspektivisch die Möglichkeit, in den „Westen“ zu kommen, zu Europapokalspielen oder Weltmeisterschaften. Das war mein Traum, mein Antrieb – neben dem Wunsch, Geschichten über Menschen zu schreiben.
Kurz nach Ende meines Volontariats im Herbst 1989 landete ich als Jungredakteur im Ressort Politik und Nachrichten – und erlebte die spannendsten und aufregendsten Zeiten, die man sich als Journalist oder Journalistin vorstellen kann: Mauerfall, Zusammenbruch des kommunistischen Regimes, Wandel von einer „sozialistischen Tageszeitung“ unter dem Diktat betonköpfiger Staatsideologen zu einem privatwirtschaftlichen Medienunternehmen, in dem freier, unabhängiger und überparteilicher Journalismus keine Worthülsen waren, sondern gelebter Alltag. Es war die größte und einschneidendste Transformation, die es in der deutschen Medienlandschaft je gegeben hat.
Als Jungreporter genoss ich die neue Freiheit total. Enthüllungen über Stasi-Verstrickungen von DDR-Bonzen, geheime Folter von Regimegegnern, Aufdeckung von Skandalen in der Ost-Kirche und dem menschen-verachtenden System der DDR-Psychiatrie – plötzlich war alles möglich. Zu meinem neuen Journalistenleben gehörte auch, Interviews mit Willy Brandt zu führen, zu den Rolling Stones und Neil Young zu reisen oder mit einem klapprigen Lastwagen vom Arbeiter-Samariter-Bund Hilfsgüter ins kriegsgeschundene Mostar im Süden von Bosnien und Herzegowina zu bringen. „Nebenbei“ studierte ich Kommunikations- und Medienwissenschaften in Leipzig.
Handwerklich gesehen, fielen meine ersten Jahre als Journalist in die Ära kurz nach der Steinzeit. Ich tippte meine Texte auf einer klobigen Schreibmaschine, Fehler und Änderungen deckte ich mit einem Klebestreifen ab und überschrieb sie. Agenturmeldungen wurden damals noch von Hand in die Büros getragen, Schwarz-Weiß-Filme in Dunkelkammern entwickelt, Schriftsetzer fügten aus Blei gegossene Buchstaben zu Wörtern und schließlich ganzen Zeitungsseiten zusammen.
Fast 15 Jahre arbeitete ich bei der, wie sie mittlerweile heißt, „Ostthüringer Zeitung“, die zur Funke Mediengruppe gehört. Sport, Politik, Kultur, Wirtschaft, Nachrichten, Lokales, Reportage – in fast allen Ressorts durfte ich Erfahrungen sammeln, habe den Beruf von der Pike auf gelernt. Es war eine tolle Zeit, die ich allen jungen Journalist:innen nur empfehlen kann. Ich jedenfalls war dankbar für jede Möglichkeit, neue Menschen kennenzulernen und ihre Geschichten zu notieren. Dass mir das Schreiben Spaß machte und dabei mitunter ganz gute Texte herauskamen, fiel auch anderen auf. Jurys von angesehenen Journalistenpreisen etwa (u.a. Theodor-Wolff-Preis 1991, Ludwig-Erhard-Förderpreis für Wirtschaftspublizistik 2000) oder Verantwortlichen großer Magazine und Wochenzeitungen. Angenommen habe ich nicht das erste oder zweite Angebot, sondern das beste – 2002 vom Focus.
Der Schritt aus der ostdeutschen Provinz nach München, von einer kleinen Regionalzeitung zum modernen, innovativen Nachrichtenmagazin, war die zweite Transformation, die ich als Journalist durchlebte. Eigentlich wollte ich höchstens ein Jahr bleiben und dann mit neuen Erfahrungen in die Heimat zurückkehren. Am Ende wurden es fast 17 Jahre, was am legendären Gründungschefredakteur Helmut Markwort und seinem Vize Uli Baur, der 2018 viel zu früh verstorben ist, lag.
Von ihnen habe ich den Journalismus noch einmal neu gelernt. Klarheit, Haltung, Unerschrockenheit, Mut, Zähigkeit, Präzision, das Schnell-auf-den-Punkt-Kommen, Faktentreue: Die Erfolgsprinzipien des Focus habe ich relativ schnell verinnerlicht und mir bis heute beibehalten. Dabei konnte ich von gestandenen Reporter:innen, brillanten Schreiber:innen und exzellenten Kommentator:innen viel lernen. Als Redakteur im „Deutschland“-Ressort durfte ich viele spannende Geschichten recherchieren, besonders Polizei- und Justizthemen. Dabei sprangen etliche Exklusivstorys heraus, um die uns die Wettbewerber beneideten – etwa zu den Amokläufen von Erfurt und Winnenden, zur Terrorgruppe NSU oder zu Interna beim Bundeskriminalamt (BKA). Dienstreisen führten mich unter anderem nach Lyon, Singapur und New York, wo ich deutsche Opfer der Anschläge vom 11. September 2001 ausfindig machte.
Mit 51 Jahren habe ich mich noch einmal „neu erfunden“ und den Sprung in den Online-Journalismus gewagt, zu BurdaForward, zu Focus Online. Das Team um den damaligen Chefredakteur Daniel Steil und dem jetzigen Chefredakteur Florian Festl machte mir den Einstieg leicht – mit einer verantwortungsvollen Aufgabe, von der ich immer geträumt habe: Als Justizreporter, der über den Alltag in deutschen Gerichtssälen berichtet, von kleinen Straftaten bis hin zu den großen, wichtigen Kriminalfällen.
Dennoch musste ich mich als „Print-Mann“ der alten Schule erst an die Dynamik, die rasende Schnelligkeit der Online-Welt gewöhnen. Beim Magazin schrieb ich etwa 60 Artikel im Jahr, bei Focus Online waren es nun fast 200. Dazu die völlig neuen Abläufe: Keine Fotoredaktion, keine Dokumentation, keine Schlussredaktion, kein Textchef oder Textchefin, alles musste man selbst machen, nun sogar drei unterschiedliche Überschriften pro Text abliefern, Artikel verlinken, Werbung einbauen. Und das alles in einem quirligen, nicht gerade leisen Großraumbüro. An manchen Abenden war ich echt k.o. – und doch habe ich mich immer auf den nächsten Tag gefreut.
Was mich bei BurdaForward von Anfang an faszinierte und begeisterte: der unglaubliche Teamgeist und die Innovationskraft. Neue Ideen, neue Projekte, neue Visionen, permanente Umbrüche – kein Tag gleicht dem anderen, Stillstand ist hier ein Fremdwort, Transformation steht quasi auf der Tagesordnung. Lernen, ausprobieren, besser machen, das gehört zu DNA von BurdaForward und damit zu meinem Job. Noch einmal habe ich den Journalismus völlig neu kennengelernt – als Teamwork von Redakteur:innen, Produktentwickler:innen, Vermarktungsspezialist:innen und anderen Expert:innen. Ich empfinde das als große Bereicherung und zugleich als Chance, die Zukunft eines großen Publishing-Unternehmens mitzugestalten. Ich lasse mich gern von den Ideen und dem Enthusiasmus jüngerer Kolleginnen und Kollegen inspirieren – und helfe ihnen mit meinen Erfahrungen weiter.
Bei aller Veränderung – einiges habe ich mir bewusst beibehalten, darunter journalistische Grundprinzipien wie „Sicherheit vor Sensation“, das Zwei-Quellen-Prinzip, handwerkliche Sauberkeit sowie Helmut Markworts Claim „Fakten, Fakten, Fakten – und immer an die Leser denken!“ Wichtig bis heute: Neugierig bleiben, offen sein und nicht einknicken vor Medienanwälten, deren Job oftmals darin besteht, Enthüllungsgeschichten über Verfehlungen ihrer Mandanten zu verhindern. Ob kleine Tageszeitung, großes Nachrichtenmagazin oder führendes Onlineportal – als Journalist oder Journalistin hat man überall dieselbe Verantwortung für das, was man tut und schreibt.