Interview
28.06.2018

„Ich wollte immer selbstbestimmt arbeiten“

Der beste Weg, seine Karriere zu starten? Sich von Vorbildern, die schon erfolgreich in ihrem Job sind, etwas abschauen. In unserer Interview-Reihe trifft dieses Mal Volontärin Sabina Kist auf Mechthild Taminé von BurdaSolutions und spricht mit ihr über den Frauenanteil in ihrer Abteilung, Gestaltungsspielräume und warum sie erst über einen Umweg zur Informatik gekommen ist.

Mechthild Taminé ist Head of Business & Customer Solutions bei BurdaSolutions und sorgt dafür, dass im Unternehmen alle IT-Prozesse bestmöglich laufen. Sie verantwortet die beiden Bereiche Business und Customer Solutions mit insgesamt 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ihre Aufgabe ist es, die Geschäftsprozesse der einzelnen Burda-Firmen und -Profitcenter in Software abzubilden und die passende IT-Lösung für jeden Prozess zu finden. Dabei reicht das Spektrum von der Finanzbuchhaltung über die Zeitschriftenbestellung bis hin zu E-Commerce-Lösungen.

Sabina Kist absolviert die Burda Journalistenschule und ist Volontärin in der Redaktion von Mein Buffet. Im Team mit drei weiteren Volontären hat sie den Finanz-Newsletter und -Blog „Kleingeldhelden“ gegründet, mit dem Ziel jungen Leuten das Thema Finanzen und Anlagen auf witzige und verständliche Weise näher zu bringen. Für Kleingeldhelden haben sie 2017 den comdirect Finanzblog Award Newcomer-Preis gewonnen und können bereits auf eine wachsende Zahl von Newsletter-Abonnenten blicken.

Sabina Kist: Warum kommen Sie jeden Tag gerne zur Arbeit?

Mechthild Taminé: Wir gestalten viel im Team und ich arbeite mit Leuten, mit denen ich mich gerne umgebe. Und kein Tag ist wie der andere, das macht es spannend. Für mich ist Projektmanagement die Verbindung zwischen der Technik und den Menschen – deshalb macht mir das so viel Spaß.

Ich würde sagen, Sie haben Karriere gemacht – war das denn Ihr Plan?

Nein, aber es war immer mein Plan, selbstbestimmt zu arbeiten. Ich glaube, es ist zwangsläufig eine Folge, dass man dann ein Stück weit in Führung gehen muss. Entweder man macht sich selbstständig, oder man nimmt eine Führungsposition an. Für mich war es immer schon enorm wichtig, Gestaltungsspielraum zu haben, das möchte ich auch vorleben. Wenn man intelligente Mitarbeiter haben will, dann muss man ihnen Gestaltungsspielräume geben. Ein Projekt ist erst erfolgreich, wenn verschiedene Leute ihre Kernkompetenzen einbringen können. Am wichtigsten ist nicht die Technologie oder die Philosophie in einem Projekt, sondern das Team dahinter – nur so kann man die hohe Veränderungsgeschwindigkeit heutzutage erfolgreich meistern.

Wie hat sich Ihr Job mit den Jahren gewandelt und wie gehen Sie mit Wandel um?

Wenn man Wandel nicht mag, ist man hier falsch. Als ich in der IT angefangen habe, gab es riesige, monolithische Applikationen. Wer die gebaut und beherrscht hat, wurde als eine Art Guru angesehen. Heute ist Informatik allgegenwärtig. Die Herausforderungen sind andere geworden: Früher konnten wir die externen Zugänge mehr reglementieren, heute ist vieles in der Cloud. Themen wie Datenschutz, Sicherheit, Integration und Einzellösungen sind wichtiger. Burda hat sich in den letzten Jahrzehnten vom Verlag zum Medien- und Tech-Unternehmen weiterentwickelt und damit hat sich auch meine Arbeit verändert. Mein Job ist jeden Tag anders und das muss man mögen.

Wie haben sich die Abteilungen Business und Customer Solutions mit Ihnen verändert?

Ganz massiv – wie ganz Burda. Wir haben mehr Mitarbeiter, sind breiter aufgestellt und es arbeiten viel mehr Frauen bei uns. Bei BurdaSolutions sind es auf Mitarbeiterebene 40 Prozent, auf Führungskräfteebene 50 Prozent Frauen.

Ist Ihnen das wichtig?

Ja, schon. Aber vor allem, weil ich junge Leute fördern und auch fordern möchte. Unsere Abteilung ist viel bunter und vielfältiger geworden. Wir haben Mitarbeiter in verschiedenen Strukturen: in Teilzeit, die aus der Elternzeit zurückkommen, junge Väter in Elternzeit, Menschen mit einem Pflegefall zu Hause, mit einem jungen Kind, etc. Ich glaube, das ist das gemeinsame Ziel von meinem Chef, Gerhard Thomas, und mir: Die Vereinbarkeit von Arbeit und dem Leben im Allgemeinen – ob Kind, Hund, Hobby, ehrenamtliche Tätigkeit, usw. Die Frage ist doch: Wie möchtest du gerne leben? Wie möchtest du gerne arbeiten? Ich glaube, die einzige Chance, die Mitarbeiter zu bekommen, die man haben möchte, ist, dass man versucht, sie in ihrem Leben zu begleiten. Wie sehen sie das?

Dem stimme ich zu. Ich finde eine gewisse Struktur gehört dazu, aber es muss Bewegungsspielraum geben, in dem man sich entfalten kann - sowohl im beruflichen als auch im außerberuflichen Raum. Es ist schön, wenn man die Möglichkeit dazu hat. Gerade bei meiner Generation habe ich das Gefühl, dass man nicht ein Berufs- und ein Privatleben nebeneinander haben möchte, sondern dass der Beruf Teil der Lebensgestaltung und Selbstverwirklichung ist.

Warum ist es Ihnen wichtig, dass Frauen die Chance ergreifen, Führungspositionen einzunehmen?

Weil Frauen 50 Prozent unserer Gesellschaft darstellen. Und diese 50 Prozent müssen auch repräsentiert werden bei all unseren Themen, in allem was man tut und in der Art, wie man ein Projekt gestaltet.

Welche Eigenschaften schätzen Sie besonders an Ihren Mitarbeitern?

Am meisten schätze ich konstruktiven Widerstand. Vom Studenten bis zum Senior soll sich jeder trauen, seine Meinung zu sagen und sie zu begründen. Außerdem Intelligenz, gegenseitige Wertschätzung und Teamgeist.

Wie haben Sie Ihre Talente entdeckt?

Ich habe lange überlegt, was ich studieren möchte und mich dann für Biologie eingeschrieben. Ich war zwar im Mathematik-Leistungskurs und habe immer Nachhilfe gegeben, aber ich habe es mir einfach nicht zugetraut, Informatik zu studieren. Die Durchfallquoten waren wahnsinnig hoch. Dann habe ich im Biologie-Studium angefangen, im Rechenzentrum zu arbeiten, nebenbei Informatik-Kurse für Mediziner und Mathematik-Kurse für Biologen zu geben. Bis ein Professor zu mir gesagt hat: „Wann machst du endlich das, was du wirklich gut kannst?“ So bin ich zu Informatik gewechselt, das habe ich ihm zu verdanken. Aber vielleicht war dieser Umweg ganz gut so. Lernen per se ist nie umsonst. Ich glaube nicht, dass der gerade Weg immer der richtige ist.

Worauf sind Sie besonders stolz?

Auf meine Tochter und meinen Mann. Und dass wir unser Familienleben gut hinbekommen, das ist mir wichtig. Egal ob Väter, Mütter, oder Menschen mit einem Pflegefall zu Hause - ich möchte gerne vorleben, dass man Führungskraft sein kann und gleichzeitig sein Privatleben auf die Reihe bekommt. Außerdem bin ich auf ganz viele von meinen Leuten stolz - die, die aktuell bei uns sind, aber auch auf die, die heute anderswo arbeiten. Eine Kollegin, die ich schon während des Studiums eingestellt habe, ist nach London zu einer Unternehmensberatung gewechselt. Ein Jahr später hat sie mir geschrieben und mir gesagt, dass ich ihr Vorbild als Führungskraft bin. Das hat mich sehr gefreut.

Und worauf sind Sie stolz? Auf die beiden Auszeichnungen, die Sie bekommen haben?

Ja, vor allem, weil ich damit nicht gerechnet hatte. Ich merke, dass ich Wettbewerbe mag und mich gerne mit Anderen messe. In der Journalistenschule habe ich einen Preis für meine Reportage gewonnen und für unseren Kleingeldhelden-Newsletter haben wir den comdirect Finanzblog Award Newcomer-Preis bekommen. Ich habe VWL studiert und möchte das Thema Finanzen so herunterbrechen, dass es jeder versteht. Und wenn dann Leute, die sich tagtäglich damit auseinandersetzen einem sagen, dass man da etwas ziemlich gut macht, ist man sehr stolz. Dem Team und mir hat das viel Energie gegeben.

Möchten Sie weiterhin im Journalismus arbeiten?

Ich bin offen für alles. Ich mag Journalismus und fühle mich angekommen. Aber ich habe in meinem Werdegang gemerkt, dass es für mich am besten läuft, wenn ich offen bin. Dann ergeben sich plötzlich Möglichkeiten und wenn man diese ergreift, kann wahnsinnig viel passieren.

Welchen Tipp würden Sie Berufseinsteigerinnen geben?

Ich finde, Sie machen schon sehr viel richtig. Offen sein, mutig sein, den Wettbewerb suchen und immer schauen, wo man momentan steht. Am wichtigsten ist mir, dass man Verantwortung übernimmt. Verantwortung bedeutet Gestaltungsspielraum. Ich habe das Gefühl, das hat in den letzten Jahren einen etwas negativen Touch bekommen. Dabei braucht unsere Gesellschaft Leute, die Verantwortung übernehmen. Dass der Rückzug ins Private gerade sehr hip ist, finde ich in diesem Zusammenhang schwierig. Jede Generation möchte doch Dinge verändern, da muss man nach vornegehen. Ich möchte vermitteln, dass es Spaß macht, Verantwortung zu haben.

Mechthild Taminé hat in Freiburg und Stuttgart Wirtschaftsinformatik studiert und 13 Jahre lang beim Schweizer Pharma-Unternehmen Ciba (heute Novartis) gearbeitet. Seit 2005 ist sie bei Burda Solutions und leitet die Bereiche Business und Customer Solutions.

Sabina Kist hat in Freiburg Ethnologie und Volkswirtschaftslehre studiert. Sie ist Volontärin an der Burda-Journalistenschule im Jahrgang 2016-2018 mit Stammredaktion Mein Buffet und weiteren Stationen bei Mein schöner Garten und Focus. Gemeinsam mit Kollegen betreibt sie betreibt den Finanz-Blog mit Newsletter „Kleingeldhelden“.

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Sabina Kist (Burda Journalistenschule) und Mechthild Taminé (Head of Business & Customer Solutions, BurdaSolutions) waren sich im Interview einig, wie wichtig ihnen Selbstbestimmung und Freiräume im Job sind

Sabina Kist hat als Volontärin für Mein Buffet, Mein schöner Garten und Focus gearbeitet und betreibt gemeinsam mit Kollegen den Finanz-Blog „Kleingeldhelden“

Mechthild Taminé ist Head of Business & Customer Solutions bei BurdaSolutions und sorgt dafür, dass bei Burda alle IT-Prozesse bestmöglich laufen

Tochter, Mann, die Leistungen ehemaliger Mitarbeiter und eine Auszeichnung: Die beiden Frauen sprachen in Offenburg auch darüber, was sie besonders stolz macht

„Ich habe gemerkt, dass es für mich am besten läuft, wenn ich offen bin. Dann ergeben sich plötzlich Möglichkeiten“, sagt Sabina Kist

„Ich glaube, die einzige Chance, die Mitarbeiter zu bekommen, die man haben möchte, ist, dass man versucht, sie in ihrem Leben zu begleiten“, sagt Mechthild Taminé

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